65. Die Tempelritter zu Aachen.

[86] (Poetisch behandelt von v. Schepeler, Aachner Volkssagen. Aachen 1842, in 8°. S. 13 etc.)


Heute heißt noch in Aachen ein Platz der Templer Bend, der Tempelgraben liegt an dem Walle in der Nähe des Königsthors und denselben Namen führt auch die Straße, an welche er grenzt. Hier soll einst das Tempelhaus gestanden haben, allein der Sage nach wäre es in die Erde versunken, nachdem sämmtliche Templer bei der bekannten Verfolgung dieses Ordens in einer Nacht ermordet worden waren. Zuweilen soll man noch im Weiergrund die Kirche sammt ihren Thürmen erblicken und einmal des Jahres feiern sie alle in der Mitternachtstunde den Sturz ihres Ordens. Da erbebt, wenn die Glocke zwölf schlägt, die Erde, eine Donnerstimme ruft: »Ihr Templer erwacht und kommt heraus,« dann steigen die Templer, gefüllte Becher in den Händen, aus des Teiches Tiefe herauf, ein Saal wölbt sich um sie, sie setzen sich an einen langen Tisch zum Mahle, ihren Meister an der Spitze und sind vergnügt, hierauf aber kommen andere Gestalten, mit denen sie kämpfen, die Tafel verschwindet und aus dem Teiche baut sich eine Kirche mit Altar und Chor auf und die Templer ziehen paarweise geordnet durch die offene Thür betend hinein, doch kaum sind sie drin, so fängt die Oberfläche des Teiches an zu brausen, der Himmel verdüstert sich und Donner und Blitze kreuzen sich, aus der Kirche aber erklingt Schwertschlag und Mordruf, bis es Eins schlägt, dann sinkt die Kirche und mit ihr die Schaar der Templer in den Teich, nur der Meister erhebt sich in blutigem Gewande zuvor aus ihrer Mitte, droht mit gewaffneter Hand und ruft: »Rache, Rache!« Man sagt aber, daß wenn junge Mädchen in jenem Teiche ihre Hemden waschen, daß sie dann die Templer hinabziehen. Daher kommt wohl auch das Sprichwort zu Aachen, von einer die einen unpassenden Mann nimmt, sie habe einen Tempelherrn genommen, und der Ausdruck »tempeln« für schlagen, weil viele Aachener behaupten, wer des Nachts an jenem Teiche vorübergehe, bekomme Schläge.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 86.
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