99. Der Teufel und der Laienbruder.

[111] (S. Lercheimer S. 20.)


Im Cisterzienser-Kloster Kampen unweit Cölln bei Berck, nicht weit vom Rhein war vor Zeiten ein Laienbruder, d.h. ein Mönch, aber ungelehrt und nicht Priester. Dieser wollte aber auch etwas sein, hub an zu lernen und begab sich aus dem Kloster auf eine Schule, um dort zu studiren. Als er wieder in sein Kloster zurückkehrte, trachtete er eifrig dahin, wenn nicht Abt, so doch Prior zu werden. Zu dem gesellte sich der Teufel und zeigte ihm an, der Bischof zu Halberstadt sei gestorben und es sei Gottes unwandelbarer Wille, daß er, der Mönch, dort Bischof werde; er müsse aber am Wahltage, den er ihm auch nannte, dort zugegen sein. Der Mönch, der gern etwas Großes geworden wäre, machte sich heimlich hinaus auf die Reise gen Halberstadt. Am ersten Abend kehrte er aber bei einem Pfarrherrn in Zenten ein, der hatte auf der Streu ein Pferd, stark und wohl bei Leibe; das nahm der Gast sammt des Pfarrherrn Rock bei der Nacht und zog damit auf und davon, damit er ja nicht zu spät und nicht gar zu schlecht und unansehnlich ausschauend zur Wahl in's Kapitel käme. Er dachte vielleicht, wenn er Bischof geworden, wolle er es vierfach bezahlen. Am Morgen aber, als der Pfarrherr sah, daß er ohne Pferd und Mantel sei, zeigte er den Dieb bei dem Richter an; man setzte ihm nach, ergriff und henkte ihn. So ward er durch des Teufels Zusage und Forderung an den Galgen erhöht, aber nicht auf den Bischofsstuhl.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 111.
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