105. Entstehung des Klosters Steinfelden bei Altenahr.

[117] (Nach Ziehnert Bd. III. S. 140 etc.)


Einst lebte Graf Sibodo von Hochsteden als Herr zu Altenahr, ein reicher, mächtiger und für seine Zeit fast gelehrter Ritter, der gern heiligen Handlungen zuschaute. So traf es sich einst, daß er bei der Taufe eines[117] Kindes zugegen war und nachher seinen Hofmeister fragte, ob man ihn (den Ritter) bei seiner Taufe auch mit dem heiligen Kreuze bezeichnet habe? Und als jener es bejahete, äußerte er, daß er es also nicht nöthig habe, sich selbst noch immer damit zu segnen, und unterließ von der Zeit an den christlichen Gebrauch. Bald nachher meldete sich bei dem Grafen ein junger stattlicher Mann als Diener, welcher versicherte, viele Länder gesehen zu haben, und Lespion hieß. Der Graf bedurfte eines Dieners und nahm den Mann, der ihm verschlagen und gewandt zu sein schien, in seine Dienste und bereuete es nicht, denn der Diener war überall schnell, entschlossen und nicht zu ermüden und zeigte eine beispiellose Anhänglichkeit an seinen Herrn, den er überall begleitete, dem er Kurzweil verschaffte, dessen Rechtlichkeit und Frömmigkeit er aber auch nach und nach zu verführen suchte. Der Graf wurde immer berühmter durch seine Ritterlichkeit, denn überall, sowohl in heidnischen Fehden, als auf Pilgerzügen gegen die Ungläubigen führte er von seinem Diener begleitet den Sieg herbei. Einen solchen hatte er auch einmal im Eifellande erfochten und entfernte sich, um sich in der Einsamkeit desselben zu erfreuen, von seinen Knechten. Ermüdet von dem Kampfe und seinen Gedanken hingebend setzte er sich unter einen Baum, sah dem Untergang der Sonne zu und entschlummerte. Die Feinde hatten seine Entfernung von dem Heerhaufen und seinen Weg erspäht und schlichen ihm nach, um ihn gefangen zu nehmen oder zu tödten. Schon waren sie ihm ganz nahe, als sie Lespion gewahrte und seinen Herrn weckte, in demselben Augenblick aber ihn auf seinen Rücken lud. Der Graf fragte, was er vorhabe. Statt der Antwort hörte er den Waffenlärm der herbeieilenden Feinde, fühlte aber auch zugleich, wie sich sein Diener mit ihm so hoch in die Luft erhob, daß ihm der Rhein im Mondscheine wie ein silberglänzendes Band erschien. Jetzt wußte der Graf, wer sein Diener sei, und seufzte halblaut: »Gott sei mir gnädig!« – »Schweig mit Deinem Spruche«, entgegnete der Diener mit einer rauhen, ihm sonst gar nicht gewöhnlichen Stimme, »sonst taufe ich Dich im Rheine, daß Du daran für immer genug hast!« Der Graf, der nun überzeugt war, daß sein Diener Niemand anders als der Böse sei, schwieg und ließ sich von ihm sicher an das andere Ufer des Rheines tragen. Hier angekommen, war Lespion wieder der alte, treue, gehorsame Diener, der keine Gelegenheit versäumte, sich seinem Herrn gefällig zu zeigen; bei dem Grafen aber kehrte die sonstige Liebe und Herzlichkeit zu seinem Diener nicht wieder. Da er nicht wußte, wie er seiner los werden sollte und in seinem Gemüthe Unglauben und Leichtsinn schon einige Wurzel geschlagen hatten, beruhigte er sein Gewissen mit dem Gedanken, daß er mit dem Bösen keinen Vertrag gemacht, dieser also über ihn keine Macht habe, und behielt ihn in seinem Dienste. Einstmals ritt er mit ihm nach Cölln und kehrte dort in einer Herberge ein. Beide gingen zur Ruhe, als aber der Graf im besten Schlafe war, stürzte Lespion in seine Kammer, riß seinen Herrn aus dem Bette, warf ihm den Mantel um und nöthigte ihn, schnell in's Freie zu eilen, und kaum waren beide über die Schwelle, als das Haus zusammenstürzte und alle Inwohner unter seinen Trümmern begrub. Einige Jahre später wurde die Gräfin so gefährlich krank, daß Alle an ihrer Genesung zweifelten und nur einer der Aerzte die Kranke mit einer Arznei aus Löwen- und Drachenblut gemischt, retten zu können versicherte.[118] Dies schien Spott zu sein, denn woher sollte solche Arznei kommen? Als aber Lespion davon hörte, versprach er, sie in wenig Stunden herbeizuschaffen und eilte wenige Sekunden nachher zum Thore hinaus. Die übrige Dienerschaft gaffte dem davon Eilenden nach; die Aerzte, an der Möglichkeit der Herbeischaffung zweifelnd, konnten ein höhnisches Lächeln nicht verbergen; der Graf aber schaute ernst durch's Fenster in die Ferne, denn er wußte, wer sein Diener und daß diesem Außerordentliches möglich war. Und er hatte richtig gerechnet, denn nach zwei Stunden war Lespion mit der Arznei zur Stelle und mit ihr die Gräfin gerettet. So lieb dieser aber auch Leben und Gesundheit war, wurde sie doch sehr unruhig, als sie von ihrem Gemahle hörte, wer der wunderbare Diener sei, und drang endlich auf seine Entfernung, in die aber der Graf nicht willigen wollte, weil sich Lespion immer treu und dienstfertig bewiesen, auch sein und seiner Gemahlin Leben mehrmals gerettet habe, versprach aber auf ihre Bitten, dem Herrn eine Kirche und ein Kloster zu bauen. Die Gräfin wählte selbst dazu den Platz auf einer steilen, öden, felsigen Anhöhe, Steinfelden genannt. Diese Absicht des gräflichen Paares mußte aber nothwendiger Weise dem Diener verborgen bleiben und doch sollte er durch seine Kräfte den Bau fördern. Man sagt, der Teufel sei listig, und er ist doch so oft von den Menschen betrogen worden. In dem Ardenner Walde, wo das Steinfeld liegt, gab es viel Wild, auf das der Graf gern Jagd machte, und Lespion begleitete ihn. Einstmals lenkte er nun den Zug nach dem Steinfeld, um dort auszuruhen, und äußerte gegen seinen Diener, daß es recht angenehm sein würde, wenn hier, wo es an allen Wohnungen fehle, ein Jagdschloß stände, wo man, ermüdet von der Jagd, einkehren und fröhliche Gelage feiern könnte; bei der Erbauung sollte Lespion helfen. Dieser, als er die lustige Bestimmung des Baues erfuhr, versprach sogleich alles Mögliche zu thun und er hielt Wort; denn in ungewöhnlich kurzer Zeit war ein schönes, geräumiges Gebäude mit Gemächern, Sälen und Gängen bis zum Schlußsteine der obersten Wölbung vollendet. Nun dünkte es dem Grafen Zeit, die wahre Bestimmung des Gebäudes kund zu geben; deshalb stieg er hinauf zur höchsten Spitze desselben und pflanzte dort ein Kreuz auf; aber kaum hatte er es festgestellt, als der Teufel in der Luft mit einem sehr großen Steine geflogen kam, mit dem er die Wölbung schließen wollte. Als er das Kreuz sah, brüllte er Verwünschungen und schleuderte den Felsblock mit aller Macht nach dem Gebäude; aber eine höhere Macht als die seinige ließ ihn bei dem heiligen Hause vorbei und bei dem jetzigen Orte Dieffenbach zur Erde fliegen, wo er noch liegt und der Teufelsstein genannt wird. Der Diener Lespion aber war nun auf immer verschwunden.

Das Kloster in Steinfeld wurde vollendet, reich begabt und von Nonnen des Benedictinerordens bezogen. Noch jetzt sind seine großartigen Gebäude auf einem Hügel des Schleidener Kreises im Eifellande zu schauen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 117-119.
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