136. Die verfluchte Mühle zu Müden.

[154] (S. Merck S. 80 etc.)


Zu Müden im Moselthale am Eingange einer tiefen, dunkeln Felsenschlucht, überragt von hohem, schwarzem Gestein lehnt sich das alte Gemäuer der sogenannten Sonntagsmühle an den verwitterten Felsen. Dieselbe fällt durch ihre kleinen, spitzbogigen Fenster, ihre gothischen Verzierungen und Schnörkel auf, und von ihr wird folgende Sage erzählt.

Vor hundert Jahren lebte zu Müden ein reicher Pächter, dem fast alle Grundstücke der Umgegend zu eigen waren. Dabei war er ein harter, rauher Mann, der die Armen auf grausame Weise drückte. Einmal fiel es ihm ein, es wäre doch besser, wenn er den Gewinn, den die Müller jährlich von dem Mahlen der vielen Malter Korns, die er bei ihnen mahlen lasse, hätten, selbst in die Tasche stecken könne und er beschloß, sich eine recht schöne[154] Mühle zu bauen. Um recht billig zu gehauenen Steinen zu kommen, kaufte er um ein Spottgeld das halbzerstörte Kloster Engelport und schickte seine Fröhner aus, die Mauer ganz einzureißen und die Steine die Mosel herabzuschiffen. Allein dieselben kamen des Abends unverrichteter Sache zurück und meldeten, der Einsiedler Kunibert, der sich in den Ruinen dieses ehemaligen Frauenklosters angesiedelt hatte, habe sich ihrem Unternehmen widersetzt. Am andern Morgen begab sich nun der Pächter mit seinen Fröhnern selbst nach den Ruinen, an der verfallenen Pforte kniete der ehrwürdige Greis in andächtigem Gebete und schien die Herannahenden gar nicht zu hören, allein als der Pächter mit einer wahren Fluth von Scheltworten über ihn herfiel und ihn fragte, wie er sich unterstehen könne, sich seinen Leuten zu widersetzen, da begann er mit rührender Stimme das Schicksal des Klosters zu schildern und erzählte von den Wundern, die in seinen Mauern geschehen seien. Zuletzt zeigte er ihm auch ein Schreiben des Bischofs von Trier, worin dieser versprach, daß eine Sammlung zu Wiedererbauung des Klosters in seinem Bisthume veranstaltet werden solle. Er bat also, er möge von seinem Vorhaben abstehen und die Trümmer an ihrem Platze lassen. Allein der böse Mann hörte nicht auf ihn, sondern befahl seinen Leuten in seinem Beisein mit dem Einreißen des Gemäuers zu beginnen. Da sprang der Einsiedler zornig auf und rief den Zorn des Himmels über sein gottloses Beginnen auf ihn herab. Als nun der Pächter wie zum Hohn die schönen gothischen Verzierungen, sowie die Spitzbogenfenster des alten Klosters beim Bau seiner Mühle verwendete, da brach das Unglück mit Gewalt über ihn herein, sein einziges Kind kam in den Rädern um, sein Weib tödtete der Gram darüber, er selbst verfiel in Tiefsinn und starb als Bettler. Noch jetzt ist kein Segen in dem Mühlwerk, selbst der kleine Bach, der es treibt, ist oft ganz wasserlos.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 154-155.
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