246. Die verhungerten Rathsherrn zu Glogau.

[270] Unfern des Glogauer Schlosses steht ein runder und dicker Thurm, der Ueberrest der von Herzog Konrad II. 1260 erbauten alten Burg. Nun hatte der tolle Herzog Hans von Sagan bekanntlich im Jahre 1480 die Stadt Glogau, welche seit dem im Jahre 1462 erfolgten Tode des Herzogs Wladislaw seiner Wittwe Margarethe gehört hatte, dadurch in seine Gewalt bekommen, daß er so viel Aas, Dünger und Unrath mit Wurfmaschinen hineingeschleudert, daß sich die Herzogin mit ihren Leuten vor scheußlichem Gestank darin nicht mehr halten konnte und am 30. April ergeben mußte. Acht Jahre nachher ließ er den ganzen Stadtrath in diesen alten Thurm[270] werfen, weil er glaubte, er sei mit seinem Feinde dem König Matthias im Bunde. Er hat demselben nur sehr wenig Nahrungsmittel reichen lassen, und so ist einer derselben, Antonius Knappe genannt, schon am 14. August Hungers gestorben, der Diener Buscus aber, dem der Herzog die Bewachung und Versorgung der armen Gefangenen anvertraut hatte, ist auf Veranlassung des herzoglichen Rathes Opicius fortgereist und hat den Schlüssel mitgenommen. Also haben Ende Oktober noch sechs Rathsherrn elendiglich verhungern müssen, haben aber zuvor mit Lichtputzen auf den Tisch geschrieben, daß sie unschuldig solche Marter erlitten hätten. Den Anstifter aber haben sie verflucht und so ist der Herzog seiner Länder beraubt worden, den Opicius haben die Schlesier aus dem Lande gejagt und den Buscus gefangen und zu Freistadt enthauptet.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 270-271.
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