x) Rübezahl bekräntzt einen Musikanten.

[322] Ein Student aus Schlesien, allhier einer von meinen gewesenen Collegen, schwatzte mir vor, wie vor diesen ein gelehrter Bursche mit seiner Laute aufs Gebürge gangen sey, in Willens, dem Rübezahl eine Musik zu bringen, aldieweil er, seinem Einbilden nach, gemeinet, er wäre einer von den besten Lautenisten, und möchte also wol ein gut Trinkgeld zur Belohnung, nach seiner Wolgesonnenheit, darvon bringen. Wie er nun auf dem Gebürge etwas war förder gegangen, da hatte er in der Nähe einen herrlichen Pallast gesehen, da hinzu war er genahet, hatte seine Laute zur Hand genommen, und algemählig ein Bisgen aufgespielet, darüber ein vornehmer Mann darauß gekommen, ihn angesehen, und gefraget, was seine Intention wäre? Darzu der erschrockene Stimper geantwortet: »Sein Diener, Monsieur, ich bin wolmeinend hieher gekommen, dem Herrn eins aufzumachen, und meine Kunst hören zu lassen.« Mit welchen Worten er gleich seinen Futter-Korb bey der Carthause gekrieget, und eins hergeleyert hat. Bald drauf, wie der Rübezahl ein wenig zugehöret hatte, hat er sich umbgekehret, und auß seinem Schlosse etliche andere Musikanten herauß gepfiffen, die sich flugs hervorgefunden, und über alle Massen auf ihren Lauten gespielet haben, also, daß sich der vorige Musikant selber hat müssen schämen, daß er sich vorher berühmet gehabt, etwas Sonderliches in seiner Kunst zu leisten, welche doch in Gegenhaltung der andern nichts gewesen, und schier gelautet hat, wie man Dreck mit Peitschen hiebe. War also nicht allein betrübt geworden, sondern hatte sich auch schämend auf die Hinterfüsse gemacht, und heimlich davon schleichen wollen, welches wie es der Rübezahl gemercket, soll er ihm zugeredet haben, sprechende: »Guter Kerl, damit Du Deine Mühwaltung nicht umsonst angewand hast, so marchire hin zu jenem Baume, da wirst Du viel Kräntze hangen sehen, darvon nimm nur einen und keinen mehr, und gehe damit Deine Wege und lerne hinführo ein Besseres.« Und hiemit hat er sein Brabeum geholet, und, nach dem gegenwärtigen Augenschein, den besten Krantz herunter gelanget, welcher aber der schlechteste gewesen, dem andern Bedüncken nach, wie er ihn in der Hand gehabt, doch war er gleichwol darmit zufrieden gewesen, und darvon gegangen, wie er ihn aber in der nächsten Herberge betrachtet, da hat er gesehen, daß er lauter Gold und Edelgesteine gewesen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 322.
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