331. Der in einen Esel verwandelte Bräutigam.

[388] (S. Remigius Th. II. S. 95.)


Zwei Meilen von Görlitz liegt ein Städtlein, Brück genannt. Eines Bürgers Sohn aus diesem Ort hatte unter der Schwedischen Armee Dienste genommen, als diese damals in Deutschland lag. Anno 1645 lag er in Schlesien in einer Stadt bei einer Wittwe im Quartier, und verlobte sich mit ihrer Tochter, also daß er bei ihr, ohne daß er mit ihr getraut war, bereits wie ein Mann mit seiner Frau lebte. Als er sie aber geschwängert hatte, da mußte die Besatzung und er natürlich mit ihr ausziehen. Gleichwohl aber gab er Beiden, der Mutter und der Tochter gute Worte und die theuerste Zusage, daß er kommen und diese seine Verlobte abholen wolle. Das alte Weib vermuthete aber Betrug und sagte zu ihrer Tochter, ihr vermeinter Bräutigam werde sie gewiß sitzen lassen, sie wolle ihn aber dafür zum Esel machen. Diese ließ sich deswegen gegen ihn vernehmen, daß wenn er schelmisch an ihr handeln werde, so solle er seiner Strafe nicht entgehen. Der Reiter ritt weg, kam zu einem kleinen Busch, fühlte ein Drängen, als wenn er seine Nothdurft verrichten müsse, stieg ab und ward zum Esel und blieb in solcher Gestalt bei seinem Pferde stehen. Andere hinter ihm nachkommende Reiter fanden, das ledige Pferd und dessen Gesellen dabei, und weil sie nun nicht wußten, wem diese Thiere angehörten, so nahmen sie, vermöge ihrer gewöhnlichen Barmherzigkeit, sich ihrer an und verfuhren damit dergestalt, daß sie das Pferd behielten, bei Gelegenheit Geld daraus zu machen, den Esel aber verkauften sie an einen Müller, daß er bei diesem den Lastträger mache. Dieser legte ihm einen Sack auf den Rücken, aber er war muthwillig, bekam deshalb noch einen zweiten auf den Leib, warf[388] sie aber beide wieder ab. Weil nun der Müller befand, daß ihm dieses Thier nicht diente, verkaufte er ihn einem seiner Zunftbrüder, bei dem dieser Menschesel sich jedoch nicht frömmer bezeigte. Es trug sich zu, daß eben dieser Müller mit seiner Magd im Stalle etwas Unziemliches anzufangen suchte; da wollte ihm der Esel seinen Willen nicht vollbringen lassen, sondern fing an nach Esels Art aufs Zierlichste und Lauteste zu schreien, schlug auch mit den Hinterfüßen nach denen, die also im Werke begriffen waren. Weil nun der Müller diese und andere Händel nicht vertragen konnte, so verkaufte er ihn in derselben Stadt, wo er seiner Wirthin Tochter betrogen hatte. Nun ging er einmal mit einem Sacke beladen vor dem Hause der Zauberin vorbei, als gleich die Mutter mit ihrer Tochter vor der Thüre standen. Sobald sie das Thier gewahr ward, sagte sie: »Ei, Mutter, seht da unser Eselchen, sollte er nicht wieder ein Mensch werden können?« – »Ja«, antwortete die Alte, »es kann geschehen, wenn die Lilien blühen und er davon isset!« Dieses hörte der Menschesel und behielt es. Als nun die Blüthezeit der Lilien gekommen war, sah er auf eines Apothekers Fenster einen Theil dieser Blumen in Töpfen stehen. Alsbald warf er seinen Sack ab und sprang mit den Vorderfüßen auf das Fenster, schnappte nach den Lilien, aß davon und ward darauf alsofort wieder zu einem Menschen, stand aber mutternackt auf der Straße. Sobald dieser Handel vor die Obrigkeit des Ortes kam, ward er befragt. Diese nahmen Beide, Mutter und Tochter, beim Kopfe und nachdem sie auf gethanes Bekenntniß in der Zauberei schuldig befunden, wurden sie beide zum Tode verurtheilt. Der Reiter bekannte, daß ihm in den zwei Jahren das Tragen der Säcke nicht sauer geworden, auch hatte er die Peitsche auf dem Rücken wenig geachtet, doch wenn man ihn unter dem Bauche getroffen und der Scham nahe gekommen, hat er den Schlag nicht ausstehen können. Ueberdies wenn man ihm Heu oder Hafer vorgelegt, hat er diese trockene Kost nicht durch die Kehle bringen, doch Kleie, Träber und Mehl noch durchwürgen können, er war darum oftmals nach der Mühle gelaufen um an den Mehlsäcken zu lecken. Da er nun wieder ein Mensch geworden war, verfügte er sich zu dem unzüchtigen Müller, seinem zweiten Meister, und drohete ihm, wo er ihm nicht Geld nach seinem Begehren gebe, wolle er seine verübte That mit der Magd beim Gerichte angeben. Hierdurch bekam er soviel, daß er sich wieder ein Pferd und ein Gewehr kaufen konnte und hielt sich hernach so tapfer, daß er bei der Schwedischen Armee eine Lieutenants-Stelle bekam.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 388-389.
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