369. Die besessene Agnes zu Stettin.

[430] (S. Friedeborn Th. II. S. 116.)


Im Jahre 1577 ist eine Magd, Agnete genannt, zu Stettin gestorben, welche leider von dem bösen Geiste in die 21 Jahre leibhaftig besessen gewesen und jämmerlich geplagt worden ist.

Es wird aber berichtet, daß zu dieser Magd Mutter, als sie auf einem Ackerhof nicht weit von Stettin gelegen, gewesen, ein altes Weib gekommen ist, so Butter von ihr hat kaufen wollen. Als diese aber keine verkaufen wollen oder können, ist dasselbe Weib mit zornigen Geberden, bösem Wunsche und Drohworten davongegangen und hat dieser ihrer Tochter Agnete, so noch ein kleines Mägdlein war und vor dem Hofe saß und spielte, den leidigen Teufel in den Leib geflucht und gezaubert. Als nun die betrübten Eltern diesen erbärmlichen Zustand an ihrem Kinde gesehen, haben sie es nach Stettin geschickt und der Herrschaft solches geklagt, es auch soweit gebracht, daß die Zauberin ihren verdienten Lohn empfangen hat. Mit dem Mägdlein ist es aber inzwischen nicht besser geworden, sondern der höllische Drache hat in diesem armen Menschen von Jahr zu Jahr immer heftiger tumultuirt, rumort und gepoltert, ihren Leib aufgeblasen und greulich zerstoßen, ihr Angesicht geschändet und ein Auge ausgerissen, beide Arme voll scharfe Nadeln gestochen und sie oftmals augenscheinlich von der Erde erhoben, in der Luft herumgeführt, auf hohe Kirchengebäude und andere gefährliche Oerter niedergesetzt, zuweilen auch ins Wasser geworfen und also sein Trauerwesen mit ihr gespielt und dennoch ihr am Leben nicht schaden können. Außerhalb des Paroxysmus hat sich besagte Agnete christlich und wohl bezeigt, ist fleißig zur Kirche gegangen, hat die Predigten gerne angehört, die heiligen Sakramente oft gebraucht, auch die gemeinen Kirchengesänge mit großem Ernste mitgesungen und bei solcher Andacht ist sie auch vom bösen Feinde in der Kirche nicht gefährdet oder verletzt worden. Endlich aber drei Jahre vor ihrem Tode ist sie von solcher greulichen Plage erledigt worden und im grauen Kloster allhier selig verstorben.

Zuweilen hat nun diese Magd fremde Sprachen geredet, von zukünftigen Dingen gewußt, auch solche angezeigt und erzählt, wie sie von fünf Teufeln (genannt Junker Schmeckmeus, Walter der große, Springinsfeld, Witworst und Dumbelt) besessen sei, welche verschiedene Eigenschaften gehabt. Item wie der Teufel sie dreimal in Paul Litzow's Bierkufe gebadet habe und dem guten Mann dadurch das Bier verdorben sei. Ingleichen als einstmals ein anderer besessener Mann von Pasewalk anhero gelaufen ist, hat dies Agnes zuvor ganz genau verkündigt und gesagt: »Ihr Bräutigam von Pasewalk werde bald kommen«, ist auch vor Freuden vom obersten Saale des Abthauses, sobald der Kerl nur in die Stadt gekommen ist, heruntergesprungen[430] und hat ihm den Rosengarten hinauf mit vollen Sprüngen entgegengetanzt, und was dergleichen Fantaseien und Getrieb des Teufels mehr gewesen sind.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 430-431.
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