435. Das Kloster am Gollenberge.

[467] (S. Ziehnert Bd. III. S. 195 etc. nach dem Pommersch. Provinz.-Bl. Bd. I. S. 429 etc. S.a. ebd. Bd. III. S. 32 etc. Micrälius Bd. II. S. 288.)


Der Gollenberg zwischen Zanow und Cöslin, der höchste Berg in Pommern, war früher ein berühmter Wallfahrtsort, zu dem die Leute aus weitester Ferne herzugeströmt kamen, um sich hier Ablaß zu holen. Auf seinem Gipfel stand früher eine Kapelle, deren Trümmer man noch jetzt sehen kann. Sie war der Jungfrau Maria geweiht und darum hieß der Berg auch der Marienberg oder Unserer lieben Frauen Berg. An diese knüpft sich folgende Sage.

Als das Christenthum sich in Pommern Eingang verschaffte, behielt der heidnische Götzendienst immer noch lange treue Anhänger, die namentlich auf der Insel Rügen sich versammelten und dort ihre Zusammenkünfte und Feste feierten. Von einer solchen gemeinschaftlichen Feier kehrten sie einst zu Schiffe in ihre Heimath zurück, wobei sie ein schrecklicher Sturm überfiel, also daß Alle augenblicklich den Tod erwarteten. Sie schrieen zu ihren Göttern um Hilfe, allein diese wollten und konnten ihnen nicht helfen. Verzweifelnd blickten sie zu den Wolken, die wie schwarze Gespenster über ihren Häuptern vom Sturme gepeitscht hinfuhren. Aengstlich lauschten sie, ob nicht irgendwo sich eine Stimme, ein Ton vernehmen ließe, der ihnen Hilfe und Rettung verspräche. Plötzlich hörte einer der Schiffsleute den Ton des Horaglöckchens, im Kloster Bukow am Ufer, das Herzog Swantopulk erbaut hatte, und fiel sogleich auf seine Kniee und betete zu dem Christengott um Hilfe und Rettung, und alle, die auf dem Schiffe waren, folgten seinem Beispiele. Da löste sich der Sturm auf in sanftes Wehen, der Donner verlor sich sanft murmelnd in der Ferne, das Meer ward ruhig und auf der Höhe des Gollenberges[467] zeigte sich ein helles Licht. Sie steuerten darauf hin, landeten und waren Alle gerettet. Zum dankbaren Angedenken und zur Erinnerung an die gnädige Hilfe des Christengottes bauten die Geretteten eine Kapelle mit schönem Altar, die nachher von vielen Gläubigen besucht ward.

Im Jahre 1415 hat ein Edelmann, Peter Bulgerin, der nicht weit von diesem Berge wohnte, im Jähzorn seinen Bruder erschlagen. Um sein Verbrechen zu sühnen, ist er nach den berühmtesten Wallfahrtsorten in Europa gepilgert, hat aber nirgends eine Beruhigung seines Gewissens finden können. Endlich hat er die Mönche zu Compostella gefragt, ob sie nicht noch einen kräftigern Wallfahrtsort wüßten, und diese haben ihm den Gollenberg in Pommern als noch viel heiliger, wie den ihrigen empfohlen. Da ist er zornig geworden und hat gesagt, er brauche nicht darum so viele Meilen weit zu wandern, wenn er den Berg, wo er so oft seines Vaters Ochsen gesucht, so in der Nähe habe. Er ist also dorthin zurückgekehrt, hat aber auch keine Ruhe gefunden, sich den Dolch in die Brust gestoßen und wandelt nun dort als ruheloser Schatten herum.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 467-468.
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