458. Der leichte Pflug.

[482] (S. Arndt Bd. I. S. 241 etc. (II. A. S. 201 etc.)


Einst ging ein Bauer auf Rügen frühmorgens aufs Feld und mußte hier an einem steinernen Kreuze vorbei; da sah er, daß auf demselben ein Wurm immer hin- und herlief, gerade als wolle er gern von demselben herunter, könne aber nicht. Er wußte erst nicht, was er davon denken solle, allein endlich fiel ihm ein, es könne wohl der Wurm einer der kleinen Zwerge seiner Insel sein, von denen er gehört hatte, daß sie, wenn sie auf etwas Geweihtes zufällig kämen, nicht wieder fort könnten. Er dachte also, wenn er den Wurm fangen könne, sei sein Glück gemacht. Er ergriff ihn also, und sowie er ihn in der Hand hatte, verwandelte derselbe sich sofort in einen kleinen schwarzen Zwerg. Anfangs wollte er allerdings sich krümmen und schmiegen und so dem Bauer aus der Hand schlüpfen, allein dies gelang ihm nicht und so mußte er sich denn bequemen, gute Worte zu geben, um vielleicht so seine Freiheit zu erlangen. Der Bauer versprach ihm auch, er wolle ihn freilassen, wenn er ihm einen Pflug mache, der so leicht sei, daß ihn auch das kleinste Füllen ziehen könne. Darauf ging jedoch der schwarze Zwerg, der wie alle seine schwarzen Kameraden ein tückischer und boshafter Gesell war, der den Menschen nichts gönnte, nicht ein, sondern schwieg still[482] und gab keine Antwort, der Bauer mochte ihm noch so viel zureden. Endlich prügelte ihn derselbe mit einer kleinen Ruthe, allein dies rührte ihn auch noch nicht, bis er ihn in einen schwarzen eisernen Grapen (Topf) steckte und ihn so in eine kalte Kammer sperrte, wo er frieren mußte. Da gab er klein zu und versprach, er solle den andern Tag seinen Pflug haben, und richtig stand am andern Morgen, nachdem ihn der Bauer losgelassen hatte, ein schöner eiserner Pflug vor der Thüre des Bauern, der nicht kleiner als ein anderer, aber so leicht war, daß ihn ein Hund ziehen konnte, dadurch ward aber der Bauer der reichste Mann auf der Insel.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 482-483.
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