467. Das neue Tief.

[495] (S. Stolle, Gesch. d. Stadt Demmin S. 605. Grümbke Th. I. S. 7.)


Die Insel Rügen ist früher noch einmal so groß gewesen als sie jetzt ist, so hat die Halbinsel Mönchgut einst mit Pommern zusammengehangen, oder sie war nur durch einen so schmalen Strom von dem Festlande getrennt, daß zur Noth ein Mann hinüberspringen konnte. Derselbe war auch nicht tief, so daß man einmal einen Damm aus Pferdeschädeln gemacht hat, auf dem man von Rügen nach Pommern hinübergegangen ist. Soviel ist gewiß, daß wo jetzt das neue Tief ist, früher das trockene Land von Rügen war. Man sieht jetzt noch bei ruhigem und stillem Wetter unten auf dem Meeresboden Eichen- und Tannenbäume. In einer Nacht des Jahres 1302 (oder 1303, 1308 oder 1309) ist aber ein so schrecklicher Sturmwind auf der ganzen Ostsee gewesen, daß er Häuser und Kirchen wie Kartenblätter umgeblasen hat. Der hat auch das Land zu Rügen von Pommern abgerissen, so daß ein guter Theil des erstern da in die See sank, wo sich der große Bodden befindet. Zwei ganze Kirchspiele sollen hier vergraben liegen, das[495] von Ruden und das von Carven, nichts ist davon übrig geblieben, als das kleine Inselchen, welches mitten im Bodden liegt.

Das Fahrwasser nun, was so zwischen diesem Ruden und der Insel Rügen entstanden ist, hat man seitdem das neue Tief genannt. Ohne dasselbe würde aber Stralsund als Seestadt zu Grunde gegangen sein, nachdem der Gellen von den Niederländern mit ihrem Ballast fast versandet worden ist.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 495-496.
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