499. Die Götter und Feste der alten Preußen.

[525] (S. Waissel S. 19-20.)


Die letzten heidnischen Preußen, so mit den Polen und Masuren viele Kriege geführt und hernach von den Ritterbrüdern des deutschen Ordens überwunden und zum Christenglauben geführt worden sind, haben nun, je nachdem ein Volk nach dem andern in ihr Land gekommen ist, andere Götter kennen gelernt, Manches mögen sie auch von den alten Römern aufgenommen haben.[525]

Erstlich erwählten sie alte Männer, welche sie in großer Würde und für heilig hielten, wie die Christen ihre Bischöfe. Diese nannten sie Wurschkayten, welche sie in ihrer Heiligung anriefen, nach ihren Gebrechen und Begehr ihrer Götter. Die Namen derselben lauteten aber also:

Ocopirnus, der Gott des Himmels und der Erden; Swayxtix, der Gott des Lichtes; Ausschweytus, der Gott der gebreßhaftigen Kranken und Gesunden; Antrympus, der Gott des Meeres und der großen See; Potrympus, der Gott der fließenden Wasser; Perdoytus, der Gott der Schiffe; Pergribrius, der Gott der Laub und Gras wachsen läßt; Pelwittus, der Gott welcher reich macht und die Scheuern füllt; Percunus, der Gott des Donners, Blitzes und Regens; Packullus, der Gott der Hölle und der Finsterniß; Pockollus, die fliegenden Geister oder Teufel; Puschkaytus, der Gott der Erde unter dem Hollunder; Barstucke, die kleinen Erdleutlein, der Götter Diener, und Merkopete, die Erdleute.

Diese Götter brauchten sie bei der Heiligung des Bocks und hielten sie für die größten und ruften sie bei den folgenden Festen an.

Das erste Fest hielten sie, ehe denn der Pflug anging. Das Fest nannten sie Pergubri. In allen Dörfern kamen sie zusammen in ein Haus, dort war eine Tonne Bier oder zwei bestellt. Der Wurschkayt hob nun eine Schale voll Bier auf und betete zu dem großmächtigen Gotte Pergribrius: »Du treibst den Winter weg und giebst in allen Landen Laub und Gras. Wir bitten Dich, Du wollest unser Getreide auch wachsen lassen und alles Unkraut dämpfen.« So setzte er die Schale nieder, faßte sie dann mit dem Munde, hob sie mit den Zähnen auf, trank das Bier aus und warf die Schale ohne die Hand zu rühren über den Kopf und einer hinter ihm wartete darauf, hob die Schale auf, brachte sie wieder und setzte sie abermals mit Bier gefüllt vor den Wurschkayten. Dieser hob an wieder zu bitten, wie eben erwähnt, den Gott Percunus, er wolle gnädigen und zeitlichen Regen gewähren und Pockullum mit seinen Unterthanen wegschlagen, er trank hierauf das Bier aus und nun tranken sie alle rings umher. Nachdem hebt der Wurschkayt zum dritten Male wieder an und bittet den mächtigen Gott Swayxtix, daß er sein Licht zu rechter und bequemer Zeit scheinen lasse über das Getreide, Gras und Vieh. Zum vierten Male hebt er an und bittet den gewaltigen Gott Pelwittus, daß er Gras wachsen lasse und schöne Ernte gebe und ihr Gewächs in den Scheunen mehre. Darnach trinkt er einem jeden Gott zu Ehren eine Schale voll Bier ohne Handrührung aus und die Schale darf nicht stehen, sondern muß gehalten werden. So singen sie ihre Lobgesänge denselben Göttern zu Ehren. Das Bier wird gewöhnlich von einem gemeinen Stücke Ackers gekauft, was der Acker einbringt, das wird verkauft und das Bier damit bezahlt.

Das andere Fest der Heiligung ist nach dem Augustmonat und so das Getreide wohl gerathen ist, so heiligen und ehren sie die vorigen Götter mit großer Danksagung und der Wurschkayt ermahnt das junge Volk, daß sie die Götter in Ehren halten und nicht erzürnen. »Sie haben nun gesehen, welch ein Sommer gewesen ist etc.« und es wird alles geendigt mit der Schale voll Bier, wie oben gesagt. Ist aber ein nasses Jahr gewesen und das Getreide nicht gerathen, auch schlecht eingeheimst, so machen sie auch ein Fest und der Wurschkayt bittet den großmächtigen Gott Ausschweytus, daß[526] er bitten wolle die Götter, als Porzupriuno, Percunum, Swayxtixen und Pelwittum, ihnen forthin im nächsten Jahre gnädig zu sein. Sie bekennen, daß sie ihre Götter erzürnet haben etc. So heben sie an sich untereinander zu schätzen. Ein jeglicher muß ein halbes Viertel Gerste geben, auch wohl ein ganzes Viertel zu Bier. Auch schätzen sie die, so im Dorfe ihre Statuten und Willküre übertreten haben und die Weiber müssen zutragen Brod vom ersten Gewächs und die Heiligung währt so lange, als sie Bier haben.

Von dem Gotte der Erden, Puschkaytus, glauben sie, daß er in der Erde wohne unter dem Hollunderbaume und das Holz halten sie für heilig. Darum tragen sie Bier und Brod hin und bitten ihn, daß er seine Mercopeten (Erdleute) erleuchte und seine Barstucken (kleine Männer)86 in ihre Scheuern sende, daß sie ihnen Getreide dahin bringen und auch, was sie dahin gebracht haben, behüten wollen. Auf die Nacht aber setzen sie in die Scheune einen Tisch, den decken sie, und setzen darauf Speise, Bier und Brod und laden das Gesindchen zu Gaste, und wenn sie am Morgen aufstehen und finden etwas von der Speise verzehrt, so freuen sie sich sehr, und soviel verzehrt worden ist, so sie wieder heiligen, das thun sie ihnen wieder auf den Tisch und glauben, daß durch die Götter ihr Getreide gemehret wird. Wenn aber die Speise über Nacht unberührt blieb, bekümmerten sie sich sehr. Der Gott der Schiffsleute Perdoytus wird nun aber allein geehrt von den Schiffern, weil sie meinten, ihre Götter hätten sie verlassen und wollten ihnen nicht mehr helfen, und von den Fischern, die da auf der See fischen. Sie glauben, daß ein großer Engel auf der See stehe, und wo sich der Engel hinkehre, da blase er den Wind hin, wenn er zornig wird, und blase die Fische weg, daß sie mit seinem Zorn untergehen. Den Engel heißen sie Perdoatys. Dies thun gemeiniglich die rechten Preußen und Sudaven, und alle, die mit ihnen fischen, die heiligen diesen Gott Perdoaytissen. Sie kochen in einer Scheune ein mächtig Theil Fische und thun sie auf ein reines Bret, wenn sie gar sind, und essen und trinken aus Schalen oder aus kleinen tiefen Schüsselchen. Da steht ihr Signoth und theilet die Winde und sagt wo sie fischen sollen und auf welchen Tag.

86

Von diesen Barstucken, die auch Coltki hießen, erzählt man auch (s. Hartknoch S. 163), daß, wenn sie ihre Wohnungen nach einem andern Ort versetzen wollten, so hätten sie ihrem Wirthe dies auf folgende Weise zu erkennen gegeben, sie hätten Holzspähne des Nachts im Hause zusammengetragen und in die Milchtöpfe Mist von allerlei Vieh geworfen. Wenn nun der Wirth die Spähne nicht wegwarf und mit seinem Hausgesinde von der Milch aß, so ließen sich diese Geister im Hause wieder mehr und mehr sehen und blieben auch darin.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 525-527.
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