547. Die Vierbrüdersäule bei Medenau.

[545] (S. Baczko, Beschr. v. Königsberg S. 188. Voigt, Gesch. v. Preußen Bd. IV. S. 589 etc. Erläut. Preußen Bd. I. S. 54 etc. Rohde, dissert. de celebri statua quatuor fratrum. Regiom. 1717 in 4°.)


Nicht weit von dem Forstamte Moditten in der Capornischen Haide bei Königsberg liegt das Dorf Medenau, wo im Jahre 1254 König Ottokar von Böhmen die heidnischen Preußen besiegte. Dort steht die sogenannte, zu Anfange dieses Jahrhunderts erneuerte Vierbrüdersäule, d.h. ein Pfahl mit vier Armen, auf denen sich männliche mit Bärten und Helmen gezierte Köpfe befinden. In der Mitte ist eine Art von Knopf, der eine Schüssel vorstellen soll. Sie ist an der Stelle errichtet, wo nach einer unwahrscheinlichen Sage einst vier Brüder und berühmte Kriegsleute des deutschen Ordens, die von einer Streiferei aus Litthauen zurückkehrten und sich hier bereits für sicher hielten, von nachsetzenden Feinden erschlagen wurden. Richtiger ist wohl die Nachricht, daß als die deutschen Ordensbrüder einst von den Sudauern geschlagen worden waren, vier starke Brüder des deutschen Ordens, Martin Cholin, Conrad Entkin, Jacob Stobemel und Malachias Coblenz, mit hundert Fußknechten die Sudauer überfielen, 93 Preußen von Adel erschlugen und mit großer Beute zurückkehrten und ihnen zur Ehre diese Säule errichtet ward.

Nach einer andern Sage sind hier vier Brüder, die große Mörder gewesen waren, geviertheilt worden. Nach noch Andern hätten einmal sich vier Brüder an dieser Stelle verabredet, eine große Reise durch die ganze Welt zu machen und an einem gewissen Tage wieder hier einzutreffen und weil dies in Erfüllung gegangen, hätten sie diese Säule errichtet. Man erzählt auch, es hätte hier vor uralten Zeiten eine große vierzweigige Eiche gestanden, welche die Preußen verehrt hätten, und nach dem Berichte Anderer wäre die Säule darum aufgerichtet worden, daß an dieser Stelle einst der Markgraf Albrecht von Brandenburg, der König von Polen, der König von Dänemark und der König von Böhmen bei einer großen Jagd Brüderschaft getrunken hätten.[545]

Wie dem auch sein mag, sobald die Säule, die öfters schon umgefallen ist, beschädigt wird, muß sie durch das Domänenamt zu Caporn wieder aufgerichtet werden. Früher geschah dies unter gewissen jetzt vergessenen Ceremonien; jetzt geschieht weiter nichts, als daß sich der Zimmermann, der sie wieder aufstellt oder die Arme ansetzt, vor ihr verbeugt und mit lauter Stimme ihr seinen Wunsch, daß sie noch lange stehen bleiben möge, ausdrückt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 545-546.
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