578. Mord kömmt wunderbar an den Tag.

[564] (S. Hennenberger S. 109.)


Im Jahre 1557 war zu Dompnaw ein alter Hirt, Stasius genannt, der ging barhaupt, ganz krumm wie ein Gerippe, denn er war, wie er selbst sagte, weit über hundert Jahre alt. Der gab vor, er sei ein Wehrwolf, wer ihn erzürne, dessen Vieh thue er Schaden, darum ihn die Preußen sehr fürchteten. Er hatte aber im Städtlein beiderlei Hutung, seine Töchter hüteten das kleine Vieh, ein Sohn, ein starker junger Kerl aber hütete mit einer Dienstmagd das Rindvieh. Nun kömmt der alte Vater Stasius im Frühjahr zu ihnen in den Wald, und findet die Dienstmagd heftig heulen und weinen. Er fragt sie, was ihr fehle, sie aber klagt, daß sie sein Sohn mit Gewalt geschändet habe. Darüber erschrickt er sehr und spricht: »Du wirst mir meinen Sohn um seinen Hals bringen!« und haut der Magd mit einem kleinen Beile den Hals halb durch. Als solches der Sohn sieht, hilft er seinem Vater und so hauen sie ihr den Kopf völlig ab und werfen ihn in einen Bruch, der voller Wasser war, und bedecken ihn mit einem großen Haufen Strauchwerk. Nun blieb Alles hierüber ganz still bis auf den Tag des h. Laurentius, denn Niemand hatte Acht auf die Magd, denn sie war fremd und dazu hatte sie einen kranken Arm, so daß sie zur Arbeit untauglich war. Nun hatte im Augustmonat ein Bürger Dohnen gelegt um Haselhühner zu fangen, geht mit einem Hunde hinaus auf den Strich, da bringt der Hund einen Menschenkopf aus dem Sumpfe, der nun ganz ausgetrocknet war. Jener erschrickt, zeigt es in der Stadt an und wird es dort am Abend schon lautbar, der alte Hirt aber zieht ein buntes Kleid an und macht sich davon. Am andern Tage reiten Etliche aus dem Rath mit dem Gerichte hinaus, finden den Kopf und auch den Leib unter dem Strauchwerk, können aber die Person nicht erkennen, wissen auch nicht, ob es eine Magd oder Weib ist, bis sie ein Kränzlein bei ihr finden. Indeß kömmt der Schloßhirt mit seinem Vieh herzugetrieben, erkennt das Kränzlein, welches seine Tochter der Stadthirtenmagd zu Ostern gemacht hatte, und besinnt sich, daß[564] diese hinweggekommen war, Niemand wußte wohin, was auch den Bürgern nachher einfiel, so daß sie sich der Magd erinnerten. Deshalb macht sich einer im Rathe, Peter Klette genannt, mit dem Stadtknecht nach Dompnaw zu auf den Weg, findet des Hirten Sohn gerade nach Mittag wieder sein Vieh austreiben und fragt ihn, wo sie im Vorjahr die Magd gelassen hätten. Er sagt, sie sei nach der Stadt Königsberg gegangen um ihren Arm heilen zu lassen. Der aber läßt ihn flugs ins Gefängniß einlegen und befiehlt ihm, er solle die Magd wieder herbeischaffen. Der Thäter trotzt ihm aber heftig und sagt, man solle nur zusehen, was man thue. Der Alte indessen schweift umher, läßt sich aus, er wolle die Stadt in den Grund brennen, deshalb sucht man ihn an allen Orten, bis man ihn endlich in einer Entfernung von vier Meilen findet und gen Dompnaw bringt. Der Junge bekennt in der Marter auf seinen Vater und auch noch einen zweiten Todschlag, der Alte aber wollte erst in der Marter nichts bekennen, bis man sie endlich Beide nochmals auf die Folter brachte. Da bekannte er auch und so wurden sie Beide am 16. August aufs Rad geschlagen. Also mußte es offenbar werden, denn es wird nichts so klein gesponnen, es kömmt doch endlich an die Sonnen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 564-565.
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