641. Das Gnadenbild zu Marienburg.

[603] (S.J. Lindenblatt's Jahrbücher S. 228.)


An der Schloßkirche zu Marienburg steht in einem blinden Fenster ein großes Marienbild mit dem Christkinde auf dem Arme. Es ist 12 Ellen lang, von schöner musivischer Arbeit und im Feuer vergoldet. Dies Bild hatte ein frommer Mann gearbeitet, aber so viel Zeit darauf verwendet, daß er inzwischen dabei alt geworden war. Als er es aber fertig hatte, da that es ihm sehr leid, daß er von dem Bilde scheiden sollte. Er begab sich also in der Mitternacht des Tages vorher, ehe es aufgestellt werden sollte, noch einmal in seine Werkstatt, stellte eine Anzahl geweihter Kerzen um das Bild herum und weinte bitterlich, daß er das Bild nun nicht mehr hier haben sollte. Da winkte die h. Jungfrau ihm freundlichen Blickes mit der Hand, der Greis beugte sich demuthsvoll nieder und war todt. So hatte er sein Bild doch nicht verlassen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 603.
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