658. Wie Herzog Swantipol zum Hause der h. Barbara gekommen.

[612] (S. Hennenberger S. 419.)


In Pomerellen hat der Herzog Swantipol ein sehr festes Schloß gehabt, Schartewitz genannt, wo er seinen Schatz verwahrte und von wo aus er dem Culmischen Lande sehr vielen Schaden zugefügt hat. In der St. Barbaren Nacht hat nun Dietrich von Bernsheim, der Marschall des deutschen Ordens, mit andern Ordensrittern das Schloß erstiegen, alle Männer die darin waren erschlagen und 150 Weiber erbeutet, dann aber auch außer einem großen Schatz an silbernen und goldnen Kreuzen, Kelchen, Patenen und an silbernen und goldenen Bildern, welche alle Swantipol aus den christlichen Kirchen geraubt hatte, nebst dem Haupte der h. Barbara in einem Gewölbe vorgefunden. Letzteres war aber auf folgende Art in seinen Besitz gekommen.

Senebaldus, ein Genueser, und Engelterus oder Ericus, ein Sohn des Königs Waldemar von Dänemark studirten zu Paris und wurden sehr gute Freunde mit einander. Als nun Senebaldus unter dem Namen Innocenz IV. römischer Papst ward, der andere aber als Erich VII. König von Dänemark, da gedachte der Papst die alte Freundschaft zu erneuern. Er schickte also einen Cardinal nach Dänemark, dem König das Haupt der h. Barbara und ein Stück vom Kreuze Christi zu verehren. Wie dieser nach Dänemark kam, war der König gerade vor der Pest nach Gothland geflohen, der Legat fuhr ihm nach, auf dem Belt aber ward er vom Winde nach der pomerellischen Küste getrieben, nicht weit von dem Orte, wo nachher das Kloster Zarnowitz erbaut worden ist, welches dem Swantipol angehörte. Es hatte aber dieser ein Recht in seinem Lande, wer seinen Strand ohne seine Erlaubniß mit einem Schiffe berührte, der hatte Leib und Gut verwirkt. Darum ward dieser Legat auch gefangen und Swantipol schickte das Heiligthum in sein festes Schloß Schartewitz, den Legaten aber in das Städtlein Lzana, da mußte er auf der Querle Grütze mahlen, bis der Bischof von Cammin da durchritt und ihn mit heller Stimme sein Salve Regina singen hörte. Der Bischof schickte in die Kapelle und ließ sehen, wer da sänge, und da war es eine so ansehnliche Person, welche dem Bischof alle Gelegenheit sagte. Der Bischof aber, der Swantipols Schwestersohn war, bat ihn los. Daher sind die Bischöfe von Cammin keinem Erzbischof zu gehorchen schuldig, sondern nur allein dem Papste.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 612-613.
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