679. Vom Sprichwort: »Amt giebt Kappen.«

[624] (S. Hennenberger S. 479.)


Der Hochmeister Heinrich von Richtenberg war im Anfange sehr arm, denn die besten und unverderbten Güter waren den Söldnern versetzt, daß er also seinen Conventsbrüdern nicht vollkommene Nothdurft geben konnte, so daß etliche mit geflickten Kleidern einhergehen mußten. Unter ihnen war Bruder Mattheis von Beybalen auch einer, der oftmals dem Hauskomthur seine zerrissene Kappe zeigte, er ward aber stets vergeblich an den Hochmeister gewiesen. Einstmals saß dieser mit fremden Gästen auf der Brücke, da setzte dieser Bruder einen Kranz auf und ging da vorbei. Das ward der[624] Hochmeister gewahr und sagte zornig: »Willkommen Fasnacht! Ist das des Ordens Weise, daß man Kränze tragen soll?« Da sprach Bruder Mattheis von Beybalen: »Gnädiger Herr, Gott sei Lob, daß Euere Gnaden sehen können, ich habe oft zuvor mit meinem zerrissenen Mantel vor Euch gestanden, aber Ihr habt ihn nicht sehen können. Deshalb müssen diese edeln Blumen die Kraft haben, daß sie Euch die Augen aufthun!« Der Hochmeister merkte wohl, um was es ihm zu thun wäre, und die fremden Gäste baten auch für ihn. Da gab er ihm das Amt von den Schäfern die Zinskäse zu empfangen. Diese nahm er und legte sie in siedend heißes Wasser und zog ihnen so das Fett aus, das verkaufte er den Tuchmachern in Schlesien, die wollten damit krumpeln. Er kaufte sich also damit in der Kürze gute Kleider und was ihm sonst von Nöthen war. Da verwunderten sich die Andern und fragten ihn, wo er das her hätte, sintemal er doch seine Zahl abliefere, er aber sprach: »Amt giebt Kappen«, einen andern Bescheid aber wollte er nicht geben.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 624-625.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band