753. Das Votivbild an dem Schloßthore zu Sigmaringen.

[674] (Poetisch behandelt von Egler a.a.O. S. 147 etc.)


Ueber dem Portale des Schloßthores der alten Sigmarsburg in Sigmaringen sieht man das steinerne Bild der Gottesmutter, welche den Leichnam ihres Sohnes im Schooße hält; daneben kniet ein Ritter mit entblößtem Haupte und mit zum Gebete gefalteten Händen. Es ist dies ein Sühnbild, welches sich auf folgende blutige That bezieht.

Auf der Sigmarsburg und dem benachbarten Heiligenberg wohnte zur Zeit des Kaisers Maximilian der Graf Felix von Werdenberg, nicht weit davon auf der über der Donau gelegenen Burg Scheer aber Graf Andreas von Sonnenberg. Beide standen hoch in des Kaisers Gunst, allein als dieser zur Hochzeitsfeier des Herzogs Ulrich von Würtemberg mit der Herzogin Sabina von Baiern den Grafen Eitel-Fritz von Hohenzollern, den Grafen Sigismund von Lupfen und den Werdenberger als Gesandte abgeschickt hatte, so ergrimmte der Sonnenberger, der so schon den Werdenberger schwer beneidete, so sehr, daß, als diesem die Ehre zu Theil ward, die Braut zum Altar und Vortanz zu führen, er laut seinen Feind seiner kleinen Gestalt wegen beim Vorübergehen verspottete und als ihn der Werdenberger darüber nachher zur Rede stellte, sprach er: »Was willst Du Studentlein mir wohl anhaben? legte ich Dir zwischen Deine Zähne meinen Finger, würdest Du doch nicht den Muth haben zuzubeißen!« Zwar duldete der Werdenberger für den Augenblick den bittern Hohn, allein er sann auf Rache. Der Graf von Sonnenberg hatte in Oberschwaben an der Donau ein Felsenschloß, der Bussen genannt, wohin er oft des Vogelfanges wegen zu reiten pflegte. Einst hatte der Sonnenberger sich an einem schönen Maimorgen auch dahin auf den Weg gemacht, allein der Werdenberger hatte Kunde davon erhalten. Er versteckte sich mit einigen Knappen in der Nähe der Donau, bei Hundersingen in einem Dickicht, und als der nichts ahnende Graf von Sonnenberg vorüber kam, überfiel er ihn und ohne ihm Zeit zur Beichte zu lassen, ermordeten ihn des Werdenbergers Leute mit zwanzig Stichen. Zwar gewährte[674] dem Mörder des Kaisers Vorliebe für ihn Straflosigkeit, zwar versuchte er durch Buße den Zorn des Himmels zu versöhnen, allein bald darauf traf ihn zu Augsburg das Strafgericht Gottes, eines Morgens fand man ihn plötzlich in seinem eigenen Blute erstickt. Da er ohne Beichte und Absolution gestorben war, hat man ihm jenes Votivbild errichtet.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 674-675.
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