757. Frankfurts Gründung.

[676] (S. Dietmar, Chron. L. VII. p. 104. Otto Fris. De gest. Frid. I. 43. Cronecken der Sassen (Mainz 1492) bei Lersner, Frankfurter Chronik S. 6 u.b. Enslin, Frankfurter Sagenbuch. Frankfurt a M. 1856 in 80 S. 4. Andere Sagen bei Balton, Oertl. Beschr. u. Sagen v. Frankf. Frankfurt 1861 H.J. S. 7 etc.)


Karl der Große führte viele Kriege mit dem mächtigen Sachsenvolke, welches er durchaus zum Christenthum bekehren wollte, allein dieselben wehrten sich tapfer und ob er gleich zuletzt ihrer Herr ward, so brachten sie ihm doch mehr als einmal bedeutende Niederlagen bei. Einst hatte er auch sich mit ihnen geschlagen und mußte vor ihrer Uebermacht fliehen. Da kam er bei Nacht und Nebel denn auch an den Fluß Main, den er aber nicht überschreiten konnte und doch waren die Sachsen hinter ihm und groß war die Noth. Da betete der Kaiser zu Gott und that ein Gelübde, wenn ihn Gott sicher über den Strom führe, wolle er drüben zur Ehre des Herrn eine Stadt gründen. Auf einmal zertheilte sich der Nebel und die Franken sahen eine weiße Hirschkuh mit ihren Jungen durch das Wasser gehen bis an das jenseitige Ufer. Sie folgten ihr nach durch die Furt und kamen wohlbehalten an das andere Ufer, die Sachsen aber konnten den Uebergangspunkt nicht wiederfinden, denn der Nebel hatte sich wieder gesenkt. Als der Kaiser aber drüben wieder seine Krieger beisammen sah, da rief er fröhlich aus: »Hier wollen wir eine Stadt bauen, die soll Franken Furt heißen, dort drüben aber sollen die Sachsenhausen!« und bis auf den heutigen Tag nennt man die Stadt am Main: »Frankfurt und Sachsenhausen«, und auf der Sachsenhäuser Brücke, nicht weit von der Stelle, an der die Furt war, steht das Denkmal des Kaisers, des[676] Gründers der alten Mainstadt. Etwas anders erzählt die Gründung der Stadt die alte Sachsenchronik unter der Aufschrift: »Sunte hulpen barch (mit einem Holzschnitt, darauf ein kahler hoher Berg, auf welchem ein großes Kreuz)« und zwar also.

Kaiser Karl zog mit einem großen Heere gegen die Sachsen, diese waren aber noch stärker und drängten ihn so hart, daß er auf einen hohen Berg floh, der nun der heilige Hülfsberg heißt. Er führte aber allezeit ein Kreuz mit sich, wenn er in den Streit zog, und da er auf diesen Berg floh, setzte er das Kreuz nieder und rief die Hülfe Gottes an, welche ihm auch zu Theil ward, und er ließ das Kreuz auf dem Berge. Darnach ward hier eine Kapelle gebaut, genannt St. Hülfsberg. Während aber der Kaiser auf dem Berge war, floh sein Volk über das Wasser, das da heißt der Main. Da kehrten die Sachsen wieder und riefen: »Franke fort, Franke fort!« Dann bauten sie dort eine Veste und hießen sie Sachsenhausen, in der Meinung, daß sie da hausen wollten. Allein Gott half dem Kaiser, daß er wieder zu seinem Volke kam, er zog wieder gegen die Sachsen und verjagte sie aus der Veste, die sie gebaut und Sachsenhausen genannt hatten und baute auf der andern Seite des Wassers, wo die Sachsen gestanden und gerufen hatten: »Franke fort, Franke fort!« auch eine Veste und nannte sie den Sachsen zum Spott nach den Worten, die sie gerufen hatten: »Frankfort.« Daraus ist dann die alte Kaiser- und berühmte Kaufstadt geworden, die von der andern, von Sachsenhausen, durch das Wasser des Mains geschieden wird.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 676-677.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band