762. Der Rattenpfennig zu Frankfurt.

[680] (S. Lersner S. 441. Enslin S. 80 etc.)


Zu Ende des 15. Jhdts. hat es in Frankfurt a.M. sehr viele Ratten und Mäuse gegeben und in Folge davon ist der sogenannte Rattenpfennig aufgekommen, ist jedoch keine eigentliche Münze gewesen, sondern hat in einem bloßen Pfennig bestanden und wurde bezahlt aus der Strafkasse der Juden und zwar aus folgendem Grunde.

Im Jahre 1498 hat allhier zu Frankfurt der junge Landgraf Wilhelm zu Hessen mit Fräulein Elisabeth Pfalzgräfin, Tochter Philipps Herzogs in Baiern und Churfürsten am Rhein Beilager gehalten. Erst ist ein wunderbarliches Turnierrennen und Stechen gehalten, dann aber bis zu Mitternacht in einem aus vielen Bretern errichteten Hause ein schöner Tanz und Reigen aufgeführt worden, da ist einem Juden die Lust angekommen, den Tanz mit anzusehen, ist also in einem sammtnen Kleide aufs Herrlichste angethan hierhergekommen und unerkannt durch die wachhabenden Bürger eingelassen, letzlich aber doch erkannt, ergriffen und um eine stattliche Summe Geldes gestraft worden. Das Geld hat man in keiner andern Weise anzulegen gewußt, denn den Juden zu mehrerem Spott und Verkleinern jährlich dazu verordnet, dieweil aber dazumal sehr viele Ratten gewesen, so großen Schaden angerichtet, wer eine solche zwischen 11 und 12 Uhr auf der Brücke gewissen dazu verordneten Personen bringen werde, dem solle man einen Pfennig geben solches jüdischen Geldes, den Ratten aber ward der Schwanz abgehauen und in den Main geworfen, welcher Brauch noch einige Zeit gewährt hat. Im Jahre 1499 hat ein anderer Jude, Namens Gumprecht, einen andern Juden bezüchtigt, er hätte mit den Weibern zweier Christen Unzucht getrieben, weil er es aber nicht beweisen können, hat er 50 Gulden Strafe geben müssen, davon der Rattenpfennig entrichtet worden ist. Im Jahre 1553 ist ein getaufter Jude zu dem Amte, die Ratten anzunehmen, verordnet worden, indeß ist im Jahre 1569 das Rattenhäuslein auf der Brücke den Bürgern, so mit Pulver gehandelt, eingeräumt worden.

Gleichwohl sind die Ratten darum doch nicht vertilgt worden, denn bei dem großen Judenbrande im Jahre 1711 ist beobachtet worden, daß eine große[680] Anzahl dergleichen Ungeziefers, viele tausend Ratten und Mäuse, die sich nicht zu retten gewußt und häufig gesehen wurden, verbrannt sind, wie denn deren in der Gasse alles voll gesteckt hat. Hierüber geht bei den Frankfurter Juden die Sage, daß der polnische Rabbiner Aharon Schmul Keidenauer, als er von hier, wo er Rabbiner gewesen, unwillig, weil ihm nicht genug Ehre erwiesen worden, hinweg und wieder nach Krakau gezogen, er dieses der Judengasse als Fluch gewünscht, daß sie von Ratten und Mäusen sollten geplagt werden.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 680-681.
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