807. Das blaue Ländchen.

[715] Zwei Landschaften führen heute noch im Volksmunde den Namen »blaues Ländchen«, nämlich ein Theil der hessischen ehemaligen Grafschaft Katzenellenbogen und die Gegend von Nordenstadt bei Wiesbaden, wo die Landmädchen blaue Röckchen und Häubchen und die Burschen blaue Mützen tragen, obwohl nach Andern der blaue schieferartige Boden der dortigen Gebirge die Ursache des Namens gewesen sein soll. Der Sage aber nach wäre ein anderer Grund für die blaue Kleidung der dortigen Bewohner zu finden, nämlich folgender.

Es sollen nämlich die Weiber aus Lorch, welche durch die Messen in Frankfurt a.M. mit der neuen Lehre Luthers bekannt geworden waren, dieselbe auch in ihre Heimath zu verpflanzen versucht haben, allein ihre Vaterstadt hing noch zu fest an Rom und so kam es, daß die ganze starke Weberzunft (300 Stühle stark) aus der Stadt vertrieben ward. Sie wandten sich nach der Herrschaft Katzenellenbogen, wo sie der Landgraf Philipp der Großmüthige aufnahm und wo ihr Fleiß das schöne blaue Tuch webte, welches dann die Kleidung der dortigen Bewohner ward.

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Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 715.
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