823. Johann von Bornich.

[724] (Poetisch behandelt v. Henninger Bd. II. S. 220 etc.)


Graf Philipp von Katzenellenbogen hatte sich mit Anna, der Tochter des Grafen Ludwig von Würtemberg vermählt und von ihr zwei Kinder bekommen, einen Sohn Philipp den Jüngern, der aber 1454 zu Brügge in Flandern erstochen ward, als er mit seinem Onkel, Graf Johann von Nassau nach den Niederlanden gezogen war, um dort die Rechte seiner Gattin auf die Grafschaft Vianden geltend zu machen, und eine Tochter Anna, welche an[724] den Landgrafen Heinrich IV. von Hessen vermählt war und diesem später die Grafschaft Katzenellenbogen zubrachte. Jene Anna aber lebte mit ihrem Gemahl in stetem Unfrieden und behandelte ihre Kinder mit Lieblosigkeit, ihre Untergebenen aber mit solcher Härte, daß sich ihr Gemahl von ihr trennte und ihr das Schloß Lichtenstein zum Wohnsitze anwies. Da er auch dort jedoch von ihren Unarten zu leiden hatte und sein Schloß und Land sich über ihre Unbilden beklagte, so ließ er sich von Tisch und Bett von ihr scheiden und Graf Ulrich von Würtemberg wies ihr eine Wohnung zu Waiblingen an, wo sie nicht lange darauf starb. Nun verheirathete sich Philipp zum zweiten Male mit der Nassauerin Anna, der Wittwe des Herzogs Otto von Braunschweig, allein seine Verwandten sahen diese zweite Ehe nicht gern, denn sie glaubten, er werde von dieser Kinder bekommen und dann diesen die Grafschaft zufallen. Sie bestachen also den Schloßkapellan Johann von Bornich zu Katzenellenbogen, sie am St. Johannistag, wo man in jener Gegend das Abendmahl in dem sogenannten Johannistrunke zu nehmen pflegt, zu vergiften und der Bösewicht reichte ihr auch am Altare vergifteten Wein. Zwar kam ihr derselbe trübe vor und sie wollte erst nicht trinken, allein da ihr der Priester sagte, es werde wohl etwas Staub hineingefallen sein, so trank sie arglos das Gift, sank aber auch alsbald bewußtlos zu Boden. Die Flucht des Priesters bestätigte den Verdacht, daß die Gräfin vergiftet sei, man bot Alles auf, sie am Leben zu erhalten, und es gelang auch, allein alle Hoffnung, ihrem Manne einen Stammhalter zu schenken, ging dabei mit verloren. Der schändliche Mörder ward zu Cölln ergriffen und nachdem er seiner Priesterwürde entkleidet worden war, lebendig verbrannt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 724-725.
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