903. Die Schätze der Schartenburg.

[776] (S. Lyncker, Hess. Sagen S. 95 etc.)


In der Schartenburg bei Zierenberg sollen noch große Schätze liegen, welche zu heben bisher noch Niemandem geglückt ist. Drei Männer aus Zierenberg, welche während des siebenjährigen Krieges ihr ganzes Vermögen verloren hatten, trafen sich eines Tages und klagten einander ihre Noth. »Ich wüßte«, sprach einer, »wie wir wieder zu etwas kommen könnten. Hat es nicht immer geheißen, es lägen große Schätze droben in der Schartenburg? Laßt uns die Schätze heben, so ist uns geholfen!« Die Andern stimmten dem Vorschlage bei und Tags darauf stiegen sie alle drei den Weg zur Burg hinan. Die Reste der Burg Schartenberg liegen auf einem schroff und fast senkrecht gegen das Warmethal abstürzenden Berge. Außer den meist zusammengestürzten Mauern ragt inmitten dieser Trümmerhaufen nur noch ein aus Kalkstein erbauter runder Thurm über die hohen Bäume hinaus, welche aus dem Schutte aufgewachsen sind. In einer Höhe von 3-4 Manneslängen befindet sich ein großes Loch in der dicken Wand des Thurmes, durch welches die drei Männer ihren Weg nehmen mußten, wenn sie die[776] Schätze heben wollten, denn diese liegen in dem Thurme. Im Schloßhofe angelangt, fällten sie zwei Bäume, bereiteten daraus, so gut es gehen wollte, eine Leiter und losten alsdann, wer von ihnen sich zuerst in den Thurm hinablassen solle. Das Loos traf aber gerade den, der am Meisten verloren und zugleich den meisten Muth bei dem Unternehmen an den Tag gelegt hatte. Sogleich befestigte dieser einen Strick um seinen Leib, an dem er sich herablassen konnte, klimmte die Leiter hinan und setzte sich in dem Loche rücklings auf die Mauer, um die Tiefe erst ein wenig zu durchspähen. Lange schaute er in die schwarze Finsterniß hinunter, horchte, ob sich dort nichts rege oder bewege und wendete sich dann ziemlich entmuthigt wieder zu seinen Gefährten, die noch weniger beherzt waren wie er und in banger Erwartung am Fuße der Leiter standen. »Liebe Nachbarn«, rief er ihnen kopfschüttelnd zu, »und sollte ich all' mein Lebtage ein armer Tagelöhner bleiben, so steige ich nicht in den Thurm!« Er ließ sich die Leiter wieder hinab und alle drei kehrten unverrichteter Sache wieder nach Zierenberg zurück. Der Schatz aber liegt noch in der Burg.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 776-777.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band