1040. Der Hünensohn.

[857] (S. Mittheil. a.a.O. S. 235.)


Die beiden Riesen, von denen oben (Nr. 1029) erzählt ist, daß sie sich ihren Teigschräpper zuzuwerfen pflegten, wenn sie ihr Brod backen wollten, hatten Söhne. Von diesen diente aber einer bei dem Herrn von der Horst zu Haldem. Seine erste Arbeit war Misten. Als er nun die Mistgabel in die Hand bekam, sprach er: »Das ist ja eine Gabel, womit man die großen Bohnen ißt.« Er ging also zur Schmiede und ließ sich eine größere Forke machen. Da war denn jeder Stall voll auch eine Forke voll. Das gefiel dem Herrn wohl. Nun mußte der Riese auch pflügen. Er schob aber den Pflug mit der Hand, immer den Pferden auf die Hacken. Der Herr sprach: »Das ist nicht nöthig, die Pferde sind darum vorgespannt, daß sie ziehen sollen.« Der Riese erwiederte: »Die Pferde sind blos zum Staate da, sonst kann man den Pflug mit einer Hand gut schieben!« Das gefiel dem Herrn Alles gar wohl. Als es aber an die Mahlzeit ging, da verdroß es den Herrn gar bald, daß der Riese nicht für zwei, drei, vier, sondern für die ganze Haushaltung aß. Da wollte der Herr seiner wieder los sein und sprach zu seinen Knechten: »Morgen früh sollt Ihr Holz vom Berge holen, ein Jeder seine bestimmten Stämme, und wer von Euch der Letzte auf dem Platze ist, der soll fort!« Der Riese war ziemlich schläfrig und die Andern dachten daher, ihn im Schlafe zu betrügen. Sie fuhren schon früh am Morgen aus. Einige Stunden später erwachte der Riese und sah, daß die andern Knechte den Hof schon verlassen hatten. Er aber entschloß sich schnell, spannte in Eile die Pferde an und eilte den andern nach. Als er am Berge ankam, da hatten die andern Knechte ihr Holz schon gehauen und luden es auf. Er aber griff die Bäume an, riß sie aus und warf sie auf den Wagen mit Wurzeln und Erde. Da war er der Erste, der sein Fuder voll hatte, und als er vom Berge kam, konnten es die Pferde nicht erziehen. Da freuten sich die andern und wollten an ihm vorbeijagen. Er aber resolvirte sich geschwind, band die Pferde an den Füßen zusammen und hing sie quer über den Wagen, steckte den kleinen Finger ins Deichselloch desselben und fuhr so schnell damit fort. Als er aber vor den Hof kam, konnte das Thor den Wagen nicht fassen. Da drang er hinein und brachte das ganze Thor mit auf den Platz. Jetzt war der Herr wieder verlegen, denn sein Vorhaben war nicht gelungen. Da wollte er in der Güte mit dem Riesen handeln, damit er aus seinem Dienste gehen sollte. Der Riese sprach darauf: »Ich will Dir einen Schlag geben; wenn Du den abhalten kannst, dann will ich gehen.« Da kam dem Herrn das Beben an. »Doch«, dachte er, »Du wirst ihn sonst nicht los« und ging es ein. Der Riese aber gab ihm einen Schlag, von hinten, so daß er über das[857] Haus hin flog. Der Wind aber hielt ihn in seinem Mantel, so daß er langsam herunter kam, ohne Schaden zu nehmen. So wurde er des Riesen entledigt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 857-858.
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