1064. Der Grinkenschmied.

[869] (S. Kuhn a.a.O. Bd. I. S. 84 etc. Grimm, Deutsche Sagen Nr. 186.)


Der Grinkenschmied sitzt im Dettenberge und schmiedet Pflugeisen, beschlägt die Pferde, liefert überhaupt alle Schmiedearbeit, erhält jedoch dafür keine Bezahlung, sondern nur einen Braten; besonders leiht man für diesen Lohn seinen Bratspieß zu Hochzeiten. Einmal ist dies auch geschehen, und als nun die Hochzeit vorbei ist, schickt der Bauer seinen Knecht mit Spieß und Braten zurück zum Grinkenschmied, der Knecht aber frißt den Braten unterwegs auf und als nun Grinkenschmied sagt: »Das ist mein Spieß, aber wo ist mein Braten?« antwortet der Knecht frischweg: »Davon weiß ich nichts!« Da ist der Grinkenschmied zornig geworden und hat gerufen: »Warte, ich will meinen Braten schon bekommen!« Als das der Knecht, welcher zu Pferde war, hörte, hat er sich eiligst davon gemacht, aber als er zu Hause ankam, war seinem Pferde ein großes Stück aus dem Backen gerissen; das war Grinkenschmieds Braten.

Nach andern Erzählungen hat Grinkenschmied im Berge bei Nienberge, etwa eine Meile vom Münster gewohnt, wie Andere sagen, am Eterberg bei Steinfurt oder in Grinkeswall, einer mit Bäumen bewachsenen Vertiefung oder Kuhle, in deren Grunde ein kleiner Quell entspringt, zwischen Nienberge und Altenberge, nach noch Andern in der Gegend von Holzhausen und Laer zwischen Münster und Horstmar. Er hatte sich dem Teufel ergeben, allein gleichwohl hat er, als er gestorben war, in den Himmel gewollt, St. Petrus aber hat ihn nicht hineinlassen wollen. Da hat er gebeten, er möge doch nur die Thüre ein klein wenig öffnen, daß er nur eben hindurchsehen könne. Das hat St. Petrus denn auch gethan und Grinkenschmied hat sogleich sein Schurzfell durch die Spalte in den Himmel geworfen, hat nun gebeten, daß er es herausholen dürfe, hat sich aber darauf gesetzt und gesagt: »Nun sitze ich auf dem Meinen« und da hat ihn St. Petrus darin lassen müssen.

Besonders schöne Arbeit des Grinkenschmied hatte der Schulze Dale in Nienberge aufzuweisen, nämlich ein Paar Hängsken oder Thürangeln an der Niederthür, einen Brandrost von etwa drei Fuß Länge und drei bis vier Zoll Stärke, und eine Sense. Diese letztere ist aber nicht im Gebrauch, sondern hängt auf dem Speicher, weil es zu gefährlich ist, sie zu gebrauchen, denn wenn man sich damit schneidet, so heilt die Wunde nie wieder. Er hat auch so vortreffliche Hufeisen geschmiedet, daß dieselben gehalten haben, bis die Pferde zu nichte gegangen sind. Er hat auch vortreffliche Schlösser gemacht,[869] an denen nicht der mindeste Vergang gewesen ist. So hat er auch das Schloß an der Kirchenthüre zu Nienberge gemacht, einst haben Spitzbuben es aufbrechen wollen, sogar den Grentel ganz krumm gebogen, allein es doch nicht aufgebracht.

Schulze Dale zu Nienberge ist einer der reichsten Bauern in der ganzen Gegend gewesen, sein Hof sah einem Herrnhause ähnlicher wie einem Bauerhofe und es zog sich wie an den adligen Häusern ein Graben rings herum, der alle Gebäude in Kreisform abschloß. Den Besitzern dieses Hofes mußten aber von den umwohnenden Bauern vielerlei Frohndienste geleistet werden, und namentlich mußten sie, wenn es zur Ernte ging, einen Knecht zum Mähen stellen. Zu jener Zeit hatte aber der Schulze einen gewaltig starken Baumeister, dem, sobald es ans Mähen ging, die Uebrigen nicht folgen konnten, weshalb sie ihm stets, ehe die Mahd begann, einen Sachtschilling gaben, damit er langsamer voranginge. Nun hatte aber damals Grinkenschmied, der Schulze Dalen auch dienstpflichtig war, gerade einen Knecht, der auch sehr stark war; als dieser nun zur Mahd kam, und der Baumeister, wie gewöhnlich, seinen Hut vom Kopfe nahm, um darin den Sachtschilling einzusammeln, und auch zu ihm kam, sagte dieser, er habe das nicht nöthig, er wolle schon gleichen Strich halten. Nun ging's an die Arbeit, der Baumeister des Schulzen vorauf, Grinkenschmieds Knecht hinterdrein. Wie gewaltig jener auch vorging, dieser war immer hinterher und wenn sich der Baumeister hinstellte und seinen Wetzstein hervorholte um die Sense zu schärfen, sah sich Grinkenschmieds Knecht lustig um, als habe er das nicht nöthig und pfiff sich ein Stückchen. So ging's fort bis zum Frühstück, nachdem dies vorüber war, begann der Wettkampf von Neuem und währte bis zum Mittag, der Knecht folgte dem Baumeister immer auf dem Fuße und haute ihn mit seiner Sense fast in die Beine. Endlich, als sie Mittag machen, geht der Baumeister seitab in einen Busch, um, wie Alle meinen, ein wenig auszuschlafen, doch dauert's lange Zeit und er kommt nicht wieder. Endlich gehen sie ihm nach und finden ihn todt mit aufgeschlitztem Leibe unter dem Busche liegen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 869-870.
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