1129. Das Petersstift zu Goslar.

[913] (S. Crusius, Gesch. v. Goslar. Osterode 1843 S. 32.)


Im Jahre 1045 ist das jetzt nicht mehr vorhandene Petersstift zu Goslar, welches im Osten der Stadt auf dem sogenannten Kalkberge lag, von Kaiser Heinrich III. und seiner Gemahlin Agnes gestiftet worden. Die Ursache dieser Stiftung war folgende. Der Kaiserin waren aus ihrem Gemache viele Juwelen, goldene Ketten und Armbänder, auch anderes Silbergeschirr weggekommen, während doch nur der Haushofmeister außer ihr zu diesem Gemache einen Schlüssel hatte. Auf ihn fiel daher der Verdacht der Entwendung dieser Kleinodien. Auf Verfügung der Kaiserin mußte er, indem er nichts bekannte, dafür mit dem Leben büßen. Als er nun aber bereits längst nicht mehr war, sah einst die Kaiserin aus dem Fenster und bemerkte auf einer Linde, unweit des Scherperthores, dem Kaiserhause gegenüber, ein Rabennest, aus welchem im Sonnenglanze ihr etwas entgegenstrahlte. Sie läßt den Baum ersteigen, um zu erfahren, was es sei, und siehe man fand in dem Neste alle der Kaiserin abhanden gekommenen Juwelen und Kleinodien, welche der Rabe aus dem offenen Fenster des Gemachs gestohlen hatte. Da gerieth Agnes wegen der Hinrichtung des unschuldigen Haushofmeisters in große Gewissensunruhe. Auf Anrathen ihrer geistlichen Räthe stiftete sie deshalb das Petersstift oder ließ zunächst in dem Felsen, welcher noch jetzt die Clus (Clause)[913] heißt, eine Kapelle aushauen, in welcher täglich mehrere Meßpriester für ihre Seele Messe lesen mußten. Agnes begab sich später nach Italien und starb zu Rom 1077.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 913-914.
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