1153. Die Salz-Sau.

[932] (S. Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 265.)


Vor achthundert Jahren war um Lüneburg noch eitel Wald und Morast, da geschah es, daß Jäger einer wilden Sau nachgingen, die sielte sich so recht nach Herzenslust im Schlamme und legte sich dann auf eine trockene Stelle und schlief, und wie die Sonne so recht auf die Sau schien, da gewannen deren schwarzbraune Borsten gar eine schöne weiße Farbe. Das nahm die Jäger Wunder und sie tödteten die Sau und fanden, daß eitel gutes reines Salz an den Borsten krystallisirt war, von einer herrlich gesättigten Soole. Dadurch ward das ergiebige Salzwerk zu Lüneburg zuerst entdeckt und es wurde von selbiger Sau etwa ein Schinken nicht gegessen, sondern zum ewigen Andenken in eines hochweisen Raths zu Lüneburg Küchenstube aufbewahrt, mit lateinischen Versen und in einem gläsernen Kasten. Auch die Haut mit den candirten Borsten ward aufbewahrt. Das Salzwerk aber ward die Sälze genannt, und weil Lüneburg neben ihm einen namhaften Berg und eine treffliche Brücke hat, die über den Fluß Ilmenau führt, so ward ein lateinischer Denkspruch auf diese drei Herrlichkeiten gedichtet, der gerade so anfängt, wie es in einem Gedichte auf die sieben Wunder von Jena lautet, nämlich: »fons, mons, pons.« Damit aber allem Muthwillen beim Salzwerke gesteuert werde, wurde in Zeiten ein Thurm gebaut, der der weiße Thurm hieß, aber seine weiße Farbe nicht wie die Salz-Sau von Salzkrystallen erhielt, und in diesen Thurm steckte man muthwillige und boshafte Sälzer, und legte sie an eine große und schwere Kette, und da hat sich der Teufel auch in den Thurm gelegt und darin rumort, wie im Ponellenthurm zu Aachen und hat alle Nacht ein Maul davon abgebissen, und nach mehr denn einigen hundert Jahren ist der Thurm gänzlich zerfallen, und nur die große Kette ward noch gezeigt.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 932.
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