1228. Die Zauberer auf Amrum und Föhr.

[1000] (S. Johansen a.a.O. S. 229 etc.)


Wenn man die Dünenthäler auf Amrum durchwandert, sieht man dort häufig eigenthümlich, aber ziemlich regelmäßig gestaltete Steine zwischen dem Geröll liegen. Einige haben die Gestalt von Töpfen, andere sehen wie Teller und Pfannen aus. Man nennt diese Steine Traaldaskar (Töpferwaare der Zauberer), denn hier haben einst Zauberer gewohnt und in Brennöfen aus Lehm sich Gefäße gebrannt, die aber viel fester und stärker sind als unsere heutigen Töpfe.

Von der Weestrieger Kirche auf Föhr führt ein Fußsteig durch die öde Heide an Sümpfen vorüber nach Dunsum, wo in alten Zeiten viele Traaler wohnten. Einst ging zur Nachtzeit ein frommer Mann diesen Weg und hatte nichts Arges im Sinn. Da sah er, als er in die Nähe des großen Wassers kam, vor sich einen so hellen glänzenden Schein, daß er die Hand vor die Augen halten mußte, um nicht geblendet zu werden. Nach einer Weile schritt er näher und schaute in das Licht hinein und sah, daß es aus einem Gebäude kam, welches hohe Fenster und Glasthüren hatte, durch welche jenes blendende Licht schien. Da hielten die Traaler ein Fest, sie tanzten einen Ringeltanz und schwangen Feuerbrände über ihren Köpfen. Alles bewegte sich im Kreise nach der höllischen Musik, die der Böse unsichtbar hervorzauberte. Der Mann konnte nicht wieder wegsehen, er fühlte sich festgebannt, er betrachtete die Tanzenden, wild johlende Gestalten, immer aufmerksamer und es war schrecklich! er erkannte Nachbarinnen und Verwandte unter ihnen. Es dauerte auch nicht lange, da ward er bemerkt; mit Blitzesschnelle riß eine[1000] der Tänzerinnen die Glasthüre auf, ergriff den Neugierigen, riß ihn mit sich fort und in den Saal hinein, er mußte, er mochte wollen oder nicht, den Ringeltanz mittanzen. Da verstummte die Musik und das Mahl sollte gehalten werden. Eine Zauberin bot dem unfreiwilligen Tänzer einen funkelnden Becher mit perlendem Getränk an: »trink und Du wirst sein, wie unser Eins!« Der geängstigte Mann nahm den Becher, wußte aber wohl, was er thun wollte, denn er sprach: »Schall ik denn drinken un mut ik denn drinken, so drink ik in Jesu Nam!« Da war's vorbei mit der Zauberei. Es zerstoben die Gestalten, es zerstob das Gebäude, und wieder leuchteten die Sterne, und der kalte Nordwest strich über das große Wasser und das öde Heidefeld; aber der Mann trug ein Erinnerungszeichen an seinem Rockärmel und seinem Arm, ein Paar verschüttete Tropfen aus dem Becher hatten Löcher in den Rock hineingebrannt und rothe Stellen auf der Haut hinterlassen. Die Traaler konnten sich in schöne grüne Vögel191 verwandeln. Wollte eine Traal einen Wanderer vom rechten Wege ablocken und irre führen, so erschien sie ihm als ein schöner grüner, aber flügellahmer Vogel, der vor dem Wanderer herflatterte, sich übrigens niemals greifen ließ, wie eifrig sich jener auch bemühen mochte, des Vogels habhaft zu werden. Hatte die Traal ihn endlich in eine unbekannte Gegend gelockt, so zauberte sie einen Nebel hervor, in welchem der grüne Vogel verschwand, und der Wanderer wußte nun, welche Bewandtniß es mit dem schönen grünen Vogel hatte.

Die Traaler verstehen es auch sich in Katzen und Seehunde zu verwandeln und wehe dem Menschen, der einem solchen Thiere etwas zu Leide thut. Den peinigen und plagen sie, ohne daß er's sieht. Sie zaubern wohl einen Traalkrans (Zauberkranz) aus bunten Federn in sein Kopfkissen hinein und auf einem solchen Kissen läßt sich nicht sanft ruhen. Der Bezauberte kann kein Auge zuthun, fühlt Kopfweh und Mattigkeit und schwindet hin, wie der Thau vor der Sonne. Nimmt man aber den Kranz heraus, so haben die Traaler keine Macht mehr über ihn.

Dunsum auf Föhr war früher ein berüchtigtes Dorf, weil hier viele Traaler wohnten. Bei nachtschlafender Zeit war es nicht richtig auf der Heide zwischen Dunsum und Süderende. Es war auf dieser Heide, wo einstmals einem jungen Menschen vier feine Mädchen in langen weißen Gewändern erschienen. Sie gingen nicht, sie fuhren nicht, sie schwebten eben über der Erde. Der Jüngling folgte ihnen nach bis zu dem großen Wasser in der Mitte des Heidefeldes: da waren sie verschwunden, aber auf dem Wasser segelten vier blendendweiße Schwäne.

Ueber dieselbe Heide ging im Winter des Jahres 1614 ein ehrbarer Junggesell, Namens Boy Wögens. Als er an einem Hooge vorüberkam, gewahrte er etliche weibliche Gestalten, so über der Erde schwebten und ihm immer näher kamen. Als sie ihn umringt hatten, waren es offenbare Menschen in Menschenkleidern, so er wohl kannte. Sie tanzten, zielten und griffen nach ihm. Die Schlimmste aber war Gollen Knuten. Da nahm Boy, weil er sich nicht mehr zu helfen wußte, sein Messer aus der Tasche, gab Gollen einen Pui (Stich) und sagte: »Ich kenne Euch wohl und will Euch namenkundig machen, so Ihr mich nicht alsobald zufrieden lasset.« Die[1001] Towersche (Zauberin) fragte aber nichts nach sothanem Pui, sondern sagte: »Noch einen Pui.« Davor aber hütete sich Boy wohl, denn der zweite Pui hätte den ersten geheilt. Mittlerweile waren sie vor dem Dorfe angekommen und Boy drohte nochmals, er wolle sie namenkundig machen, so sie ihn nicht zufrieden ließen. Da drohte Gollen: »So Du solches thust, sollst Du eine schlimme Krankheit an den Hals kriegen!« Darauf ließen ihn die Towerschen zufrieden. Boy eilte nach seiner Behausung und sagte seiner Mutter alles was passirt war. Er bekam auch bald eine böse Krankheit, erholte sich aber wieder durch die Gnade Gottes und that nun, wie er gedroht hatte. Denn am 11. Februar des Jahres 1614 trat er vor die Dingstöcke auf dem Kirchhofe zu St. Laurentius und klagte Gollen Knuten als eine Towersche an und forderte ihre Bestrafung. Die zwölf Kirchgeschworenen urtheilten, die Gollen solle in den Thurm gesteckt und verurtheilt werden. Hier saß sie auch den ganzen Winter hindurch, am 4. April aber trat der ehrbare Marcus Hansen vor die Dingstöcke und brachte eine neue Klage vor. »Sie ist in meine Behausung getreten«, sprach er, »und hat mein Tochterlein um einen Trunk Wassers gebeten, als ihr diese ihn als einer Towerschen verweigert hat, hat sie meines Kindes Arm ergriffen und ihn lahm gezaubert.« Da wandten sich die Richter an die Dingstöcke, ob sich ein Fürsprecher finde, und als keiner erschien, ward am 14. des Maimonats das Urtheil über sie gefällt und sie auf der Heide ins Feuer gestoßen und verbrannt. Anfangs hatte sie Kleider an, da konnte ihr das Feuer nichts thun, erst als man ihr dieselben vom Leibe riß, ward sie von demselben verzehrt.

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Eine hierauf bezügliche Sage theilt Johansen a.a.O. S. 263 etc. mit.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1000-1002.
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