1247. Der Friesen Bekehrung.

[1022] (S. Bechstein, Deutsches Sagenbuch S. 147 etc. Hansen, Das Schleswigsche Wattenmeer u.d. Friesischen Inseln. Glogau 1865 in 8°. S. 260 etc.)


Zur Zeit des friesischen Königs Radbod, welcher im Osten von dem fränkischen König Pipin geschlagen, seine Residenz nach Helgoland verlegte, wurden viele Versuche gemacht, die Friesen und namentlich ihren König zum Christenthum zu bekehren. Zuerst kam der heilige Willibrord und verkündete den Friesen die christliche Religion. Er fand auf Helgoland, welches damals Fositesland hieß, einen heiligen Wald und darin viele weidende, dem Fosite geweihte Thiere sammt einer heiligen Quelle. Er trank aus der Quelle und schlachtete einige der geheiligten Thiere zum großen Schrecken und Aerger der Heiden. Als König Radbod solches erfuhr, ließ er mehrere Male das Loos darüber werfen, ob und welche Strafe Willibrord dafür empfangen solle, jedoch dasselbe entschied stets für die Straflosigkeit des Heidenbekehrers und derselbe reiste ohne andere Widerwärtigkeit, aber auch ohne bessern Erfolg, als daß er in der heiligen Quelle drei Friesen getauft hatte, wieder von dannen.[1022]

Nun kam der heilige Wolfram nach Friesland, der wurde des Landes und Volkes erster Apostel. Ein Traumgesicht hatte ihm offenbart, daß er das werden solle und so kam er zum Hofe des Friesenkönigs Radbod, und wie der Heilige ankam, da sollte dem Götzen, nach der heidnischen Landessitte, eben wieder ein Opfer durch den Strang gebracht werden, ein durch das Loos erwählter Knabe, Namens Occo. Da bat Wolfram für den Knaben und um dessen Leben im Namen seines Gottes und Heilandes bei König Radbod und dieser sprach: »Siehe, ob Dein Christus ihn vom Tode erretten kann, dann soll er Dein sein.« Wie nun der Knabe zum Strange geführt und aufgeknüpft ward, da betete Wolfram und es riß der Strang, der Knabe fiel zur Erde und wandelte unversehrt und Wolfram taufte ihn. Da erkannte Radbod die Macht des Heilandes und dachte sich auch zum Christenglauben zu bekehren. Ehe er aber dazu schritt, erschien ihm in der Nacht der Teufel in Engelgestalt und in herrlichem Schmuck und flüsterte ihm zu: »Warum willst Du abfallen von Deines Landes Gott? Thust Du das nicht, so wirst Du künftig wohnen in einem goldenen Hause, das will ich Dir zeigen morgenden Tages. Nun frage aber auch Wolfram, wo denn sein Himmel sei, den er Dir verheißt. Er soll ihn Dir auch zeigen, so er das vermag!« Das sagte Radbod am andern Tage dem heiligen Wolfram und versprach ihm, er wolle ein Christ werden, wenn der Friesengott ihm nicht das goldene Haus zeige, Wolfram aber sagte, wenn ihm auch ein solches gezeigt werde, werde es doch nur ein Gaukelspiel des Teufels sein. Da wurde nun ein Friese erwählt für Radbod und ein Diacon für Wolfram, die gingen zusammen aus, das Haus zu finden und alsbald gesellte sich ein Dritter zu ihnen als Wegweiser. Sie kamen unvermerkt auf einen herrlichen Weg, der war mit Marmor gepflastert und von fern leuchtete ihnen das goldene Haus entgegen, herrlich und voller Glanz und darin stand auch ein Thron von Elfenbein mit Edelsteinen geziert und mit Purpur ausgeschlagen. Und der Führer sprach zu dem Friesen und zu dem Diacon: »Sehet, das ist Herzog Radbod's ewiges Haus!« Und der Diacon sprach: »Ja, wenn es Gott gebaut hat, so wird es ewig stehen« und schlug ein Kreuz gegen das Haus und hui war es dahin geschwunden, und war ein stinkender Kothhaufen und der Marmorweg war eine Sumpflache und der Führer war der Teufel selber, der verschwand mit Gestank und Zorngebrüll. Schnell waren der Friese und der Diacon zu Hause angelangt, aber drei Tage lang mußten sie mühsam durch Binsen und Geröhrig schreiten, ehe sie die Stadt des Friesenfürsten wieder erreichten. Der Friese sagte seine Botschaft an, und was er gesehen, und ließ sich taufen. Sein Name war Sugomar, Radbod aber, als er diese Mär vernommen hatte, wollte sich auch taufen lassen, und da er in das große steinerne Taufbecken treten wollte, und schon einen Fuß hineingestellt hatte, frug er, wo die Schaar seiner Vorfahren sich befinde, bei den Seligen im Himmel oder bei den Teufeln in der Hölle? Darauf antwortete der Bischof: »Wer nicht glaubet und getauft wird, der wird nicht selig!« Da zog Radbod wieder den Fuß aus dem Taufbecken und sprach: »Wo meine Voreltern sind, da will ich auch sein, bei meiner Sippschaft, was soll ich allein im Paradiese bei den wenigen Christenleuten?« Und er ließ sich nicht taufen, aber am dritten Tage starb er und fuhr hin zu seiner Sippschaft in die Hölle.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1022-1023.
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