1259. Qualer Brautnacht.

[1032] (S. Petersen, Chronica der Lande zu Holstein etc. Lübeck 1599 in Fol. S. 115.)


Im Jahre 1445 ward im Lande zu Holstein nicht fern von Lübeck in einem Dorfe, Quale genannt, eine Hochzeit gehalten, da waren viele Bürger mit ihren Frauen und Jungfrauen aus Lübeck und ihrem Gesinde zugegen. Des Abends, da Jederman fröhlich war, als man gegessen hatte, und sie nun tranken, tanzten und sangen, kam Feuer in das Strohdach, womit dort die Häuser gedeckt sind, und da Niemand vorhanden war, der eine Aufsicht gehabt hätte, brannte das Haus eben also schleunig an, daß das Dach auf die Gäste fiel, ehe denn ein Mensch es inne ward, und erstickte 118 Personen, Frauen, Männer, Knechte und Jungfrauen mit den Kindern, blos darum, weil Niemand des Rauchs und der vielen Menschen wegen, welche alle sich bestrebten zur Thüre hinaus zu kommen, sich retten konnte. Der Bräutigam und die Braut allein kamen nackend durch ein Fenster davon. Des andern Tages wurden die Todten begraben, die meistentheils vom Feuer unversehrt gefunden wurden und blos vom Rauche erstickt waren. Von diesem unglückseligen[1032] unerhörten Unfall ist in Sprichwort entstanden: »die Qualer Brautnacht«; solches hat man lange Zeit im Gebrauch gehabt, wenn Jemandem ein Unglück begegnete.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1032-1033.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sagenbuch des Preußischen Staats
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Erster Band
Sagenbuch des Preußischen Staats: Zweiter Band