1282. Das Geisterbankett zu Flensburg.

[1047] (S. Francisci, Höllischer Proteus S. 426. Bräuner, Physik. Curiositäten S. 336 etc.)


Einst hatte König Friedrich III. von Dänemark eine öffentliche Zusammenkunft nach Flensburg ausgeschrieben, welcher auch sein Sohn beiwohnte. Als nun unter andern Edelleuten auch einer dahin reiste, welchen man schier unter die Ruchlosen zählte, der weder an Teufel noch Gespenster glaubte, so langte dieser so spät an besagtem Orte an, daß er kein bequemes Quartier mehr für sich ledig finden konnte. Endlich kam er in ein Haus, wo ihn der Wirth aufrichtig bedeutete, daß alle seine Zimmer besetzt wären, außer ein einziges, darin zu logiren er ihm aber selbst nicht rathen würde, weil ein Ungeheuer in demselben gewaltig rumore und ihn leicht durch den ihn überkommenden Schrecken ein Unheil anwandeln möchte. Der Edelmann aber gab seinen unerschrockenen Muth lächelnd zu verstehen, wie er vor dergleichen Märlein keine Furcht habe, sondern er begehrte nur ein Licht, welches er auf den Tisch stellte und ganz allein da sitzen blieb, um sich dessen desto gewisser mit wachenden Augen zu versichern, daß er nichts gesehen habe, oder damit im Fall, daß sich ja etwas sehen ließe, er beim Lichte erkennen könne, ob es nicht etwa ein gemachtes oder erdichtetes Gespenst sei, und er dasselbe fein beleuchten möchte.[1047]

Der Wirth willfahrete ihm, ließ ihm Licht genug und wünschte ihm bei seiner Vermessenheit eine geruhige Nacht, in der Meinung, dieser freche und kühne Gast müsse gewiß ein Schweißbad von Nöthen haben, welches er auch in diesem Zimmer gar wohlfeil erhalten könne. Es fehlte auch nicht daran, und noch war die Nacht noch nicht halb vorbei, als sich nach und nach etwas im Saal anfing immer stärker zu rühren und ein Getöse über das andere hören ließ, welches aber sein Muth zu überhören und wider den an ihn kommenden Schrecken er sich männlich zu halten bestrebte. Unterdessen vergrößerte sich das Geräusch, und machte ihm gleichfalls auch mit der Zeit vor Furcht seine Haut gleichsam rauschen wie Espenlaub, wie sehr er auch sich selbst zu stärken bemüht war. Nach einem ziemlich langen Vorspiele, Gepolter und Getümmel kam auch durch den Kamin, welcher im Zimmer war, bald ein Bein, bald ein Arm, hernach der Bauch, die Brust und endlich der Kopf herab, und es wurde aus solchen Theilen geschwind ein ganzer menschlicher Körper in Gestalt eines Lakaien zusammengesetzt. Hernach fielen immer mehrere nach einander herab, welches alles der Edelmann mit erstarrten Augen anschaute, bis zuletzt die Thüre aufging und der helle Haufen eines völlig königlichen Hofstaates hereinkam. Sobald hatte derselbe sich noch nicht dem Tische genaht, als auch schon unser zitternder Edelmann sich von seinem Platze wegmachte und mit aller seiner Entschlossenheit hinter den Ofen retirirte, weil er vor denen im Wege stehenden menschlich verlarvten Gespenstern nicht zur Thüre hinauskonnte. Er sah, wie man in einem Augenblicke die Tafel deckte und mit vielen silbernen und goldenen Trinkgeschirren besetzte. Wiewohl er nun unter diesen verdächtigen Geistern ein Gast mit zu sein schlechten Appetit empfand, kam doch bald einer von ihnen und begehrte von ihm, er solle als ein Gast und Fremdling sich mit an die Tafel setzen und vorlieb nehmen. Weil er sich aber weigerte, ward ihm ein großer silberner Becher dargereicht, um aus demselben resolut Bescheid zu thun. Der gute Edelmann, welcher nunmehr stark glaubte, daß es Gespenster gebe, und vor großer Bestürzung und Grausen nicht wußte, was er thun sollte, nahm zwar das Trinkgeschirr an, zumal weil es ihm schien, daß man ihn doch dazu nöthigen werde. Weil ihm aber, indem er ihn ansetzte, ein erschreckliches Grausen ankam, so fing er an mit großer Angst und Furcht Gott um Schutz und Schirm anzurufen. Sobald er aber solches Gebet kaum verrichtet hatte, war im Augenblick alle Pracht, Geplärr und das ganze Bankett mit allen herrlich scheinenden und stolzen Geistern verschwunden.

Ob nun gleich aus seinen Augen der ganze Hofstaat und alle Speisen im Augenblick entrissen waren, verblieb doch dem Edelmann der ihm gereichte silberne Becher in der Hand, nebst allem andern Silbergeschirr, so auf die Tafel gekommen war, nebst den Lichtern, welche ihm der Wirth aufgestellt hatte. Der Edelmann bildete sich ein, daß nunmehr alles dieses Silbergeschirr ihm zugehöre, und nahm es auch in die Hände, in der Meinung, es für sich zu behalten, der Wirth aber wollte ihm solches nicht gestatten. Da indessen der Verlauf vor den König kam, so ließ derselbe Alles zu seinen Händen nehmen, unter dem Vorgeben, daß dies solche Sachen wären, so der höchsten Landesobrigkeit anheim gefallen wären. Ob nun wohl der Edelmann einen rechtlichen Anspruch darauf zu haben vermeinte, als auf einen solchen Fund, den Gott ihm für seine ausgestandene Todesangst und Lebensgefahr[1048] hätte zu Theil werden lassen, ließ doch der König die Frage deswegen an unterschiedliche Juristenfacultäten gelangen, von welchen es aber einhellig dem König zugesprochen ward.

Wo solches Silberwerk eigentlich hergekommen, hat man nicht erfahren können, dieweil auf solchem nichts, wie sonst gewöhnlich, von Wappen oder Namen, gestochen gewesen ist. Indessen hat jener Edelmann glauben lernen, daß gewiß Teufel und Gespenster sind, hat sich auch mit dem rechtlichen Ausspruche begnügen lassen müssen, daß obgedachtes Silberzeug der König zu seinen Händen nehmen ließ. Vermuthlich ist solches ein vergrabener Schatz gewesen, und hat solchen der Edelmann nicht im Schweiße seines Angesichtes ausgegraben, hat ihn auch nur von ohngefähr erblickt, darzu nicht in seinem, sondern in einem Wirthshause.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1047-1049.
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