1296. Der Strandvogt auf Röm.

[1054] (S. Jahrb. Bd. V. S. 96.)


Den Römsleuten geht es oft ebenso wie den Föhringern, sie haben das Zusehen, wenn die Sylter und Amrumer eine reiche Ernte am Strand und auf den Sandbänken gehalten haben. Ein alter Strandvogt auf Röm sah jedesmal mit Scheelsucht nach Sylt hinüber, wenn dort ein Schiff gestrandet war, ohne daß er einen »Pind« bekommen hatte. In dieser Gemüthsstimmung ging er zu seinem Prediger, der ermahnte ihn zur Geduld und zum Gebete. Da der Strandvogt aber nicht beten konnte, so betete der Geistliche an seiner Statt fortan um Segen für den Strand der Insel; er betete aber so: »Wenn doch Schiffe stranden sollen und müssen, so laß auch dann und wann eins an unsern Strand gerathen!« Das war dem Strandvogt nicht genug; darum bestieg er in Sturmnächten sein Pferd und band demselben eine brennende Laterne an den Schweif; so ritt er dann über die Dünen und durch die Thäler an die Strandseite. Denn er hoffte dadurch die Schiffer irre zu führen und sie glauben zu machen, seine auf- und abhüpfende Laterne sei ein Licht auf einem segelnden Schiffe, die Gegend mithin eine schiffbare Wasserstraße.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1054.
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