1354. Heilig Anna.

[1096] (S. Lappenkorb S. 328.)


Sant An (heilig Anna) war eine vermeinte Heilige auf der Insel Amrum. Sie wohnte auf der sogenannten Burg (Borg), welche einst dicht über einem Seearm an der Ostseite der Insel lag und bis in dieses Jahrhundert mit einem tiefen Graben umgeben war. Borg sieht aus wie ein großer Todtenhügel und wahrscheinlich ist die alte Burg auf einem solchen angelegt worden, da man in neuerer Zeit hier Urnen und eine verweste Leiche in Kriegsrüstung ausgegraben hat. Sant An fiel aber aus der Heiligen Zahl, als sie in Unehren eine Tochter zur Welt brachte. Die Alten auf Amrum sagten von ihr, sie sei eine Hure gewesen, und ein Sprichwort auf Amrum lautet: »Sant An, Sant Redder«, woraus hervorgeht, daß man sie mit einem Ritter verglich. Die Bildnisse von St. Anna und St. Ritter, welche lange auf dem Boden der Amringer Kirche gelegen hatten, sind zu Anfange dieses Jahrhunderts von den Landesvorstehern aus Dummheit ins Feuer geworfen worden, wie sie sagten, aus Abscheu vor solchen katholischen Dingen oder dem sogenannten Pfaffenzeug. Sant An ward nachgehens, so lehrt die Sage, nach der Borgsham-Burg verheirathet, an einen Knappen, Namens Stork, oder vielleicht richtiger Brock, der Vater des Kindes aber war der papistische Pater auf Amrum, den sie während ihres Ehestandes häufig nach Föhr kommen ließ, um vor ihr zu predigen.

Quelle:
Johann Georg Theodor Grässe: Sagenbuch des Preußischen Staates 1–2, Band 2, Glogau 1868/71, S. 1096.
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