Vorwort.

[77] Das Wesen alles Komischen ist der Widerspruch sozusagen mit sich selbst, der sogenannte Kontrast.

Nach dieser Anforderung dürften sogar Schulästhetiker das nachstehende Lustspiel in seinem Ursprung gelten lassen.

Ein König, ohne die gewöhnlichen Attribute seiner Würde, ein Hof, geordnet nach den Regeln des einfachsten bürgerlichen Hausstandes, gewiß ein Widerspruch, der von selbst die komische Muse herbeiruft. In der Tat kam dem Verfasser die Neigung, seinem zunächst aus dem Prinzip nur der Heiterkeit entstandenen Werk einige politische Winke als sogenannte »Tendenz« einzufugen, erst im Lauf der späteren Ausarbeitung.

Seit den großen griechischen Mustern Äschylos und Aristophanes ist es ein altes Vorrecht der Bühne, sich im Extrem bewegen zu dürfen. Wer einmal den Rachegöttinnen als Frevler und Träger von Menschenschuld verfallen ist, macht als Bühnenfigur keine zerstreuenden Badereifen mehr, hat keine sonstigen Geschäfte und weiteren Lebensaufgaben zu verfolgen; auf frischer Tat packt ihn die Nemesis und läßt ihn in jedem Champagnerglase Blut sehen, auf jedem Fetzen Papier seinen Steckbrief lesen. Noch weniger Umstände macht die komische Muse. Wenn Aristophanes die Gestalten des Euripides verspotten will, die durch Heruntergekommenheit rühren sollen, so macht er den Tragiker gleich zum Lumpenhändler. Übertreiben darf der Komiker und muß der Tragiker. Den Übertreibungen in »Zopf und Schwert« wurde manches Naserümpfen des ersten Ranges der Hoftheater zuteil. Aber im wesentlichen braucht man nur die »Denkwürdigkeiten der Markgräfin von Baireuth, gebornen Prinzessin von Preußen«, zu lesen, um dem grotesken Bilde das Zeugnis historischer Treue zu geben. Nicht nur die Charakteristik des Stücks, auch die Intrige gründet sich auf die aus unbefangeneren Zeiten stammenden Bekenntnisse jener Denkwürdigkeiten, deren Echtheit verbürgt ist.

In betreff Seckendorfs trat der Fall ein, daß der technischen, ich möchte sagen, symphonischen Ökonomie des Stücks[77] (die nun einmal unbedingt die Rollen so verteilt, wie Peter Squenz im »Sommernachtstraum« den respektabelsten Leuten sagt: Du mußt den Löwen und du den Esel machen!) ein Mann geopfert wurde, der, ein mittelmäßiger Diplomat, eine Zeitlang ein leidlich guter Degen war. Hierüber kam dem Autor keine Reue. Dummsein, so denkt Romus in seinem Leichtsinn, ist nicht Schlechtsein; Löwe oder Esel sind an bestimmten Stellen im Stück notwendig. Ein brandenburgisch-preußisches Lustspiel vom Jahre 1733 kann a priori gegen einen kaiserlichen Gesandten jener Tage nur »ungerecht« sein. Das liegt im Übermut der komischen Muse ebenso, wie umgekehrt in spezifisch österreichischen Stücken schon lange auch bei solchem und ähnlichem Anlaß die passive Komik an Preußen und in specie an die Berliner fällt. Nach Ritter Lang und nach zuverlässigeren Gewährsmännern war auch zum Glück dieser Seckendorf ein eitler Tyrann. Sein Haß gegen Friedrich II. und sein »Kombinieren« gingen so weit, daß er dem österreichischen Hof im Ersten Schlesischen Kriege einen Plan detaillierte, wie man den ländersüchtigen Eroberer persönlich unschädlich machen sollte. Arneth, Maria Theresia Bd. I.

Freilich kann die Art, wie Puck mit der Geschichte umgeht, gemildert werden. Es ist nicht nötig, daß die Schauspieler aus Seckendorf einen Kretin machen. Eine unglückliche Neigung der Darsteller, für den gebotenen Finger gleich die ganze Hand zu nehmen! Überhaupt wenige Darstellungen meines Stücks sah ich, wo Friedrich Wilhelm I. neben dem Ton des Hausvaters noch die königliche Würde behauptete, Eversmann bei aller kecken Vertraulichkeit noch den Rand eines zitternden Kammerdieners hielt, der Erbprinz noch mit dem Bestreben, im königlichen Schlosse alles lächerlich zu finden, eine Zurückhaltung verband, die ihn sicherstellte, für seine lauten Äußerungen nicht sofort aus Berlin verwiesen zu werden, die Prinzessin noch vornehm und klug blieb im Naiven und Gewöhnlichen, und vollends Seckendorf, trotz seiner ihm schwerfallenden »Kombinationen«, doch nicht bis zum Hofmarschall Kalb hinunter sank. Daraufhin hier eine dramaturgische Bemerkung. In solchen Fällen, wo die Gefahr des Herabziehens der Rollen auf der Hand liegt, sollten die Bühnenvorstände die Vorsicht üben, die betreffenden Partien geradezu nur solchen Darstellern anzuvertrauen, die ihnen beim ersten Blick dafür – am wenigsten einfallen, solchen, die durch ihr Naturell gezwungen sind, die Rollen höher zu halten. Der Possenreißer wird nie, selbst zuweilen der sogenannte »seine Komiker« nicht, Shakespeare von dem Vorwurf befreien, daß er zweien Königen von Dänemark einen Hanswursten zum Minister[78] gab. Es ist viel weniger nötig, daß die komischen Einfälle des Polonius belacht werden, als daß seine Einfälle nicht die Stellung des Hofmanns, königlichen Ratgebers, Vaters zweier respektabler Kinder und zuletzt sogar noch seiner eigenen mit tragischer Würde sterbenden Person beeinträchtigen. In solchem Fall übergibt eine kundige Theaterführung die komische Partie einem Darsteller, der eben – nicht komisch ist.

Geschrieben wurde nachstehendes Stück im Frühjahr 1843. Vielleicht kennt mancher unserer Leser das kleine Hausgärtchen am »Hotel Reichmann« zu Mailand, auf dessen Oleanderbüsche, Springquellen und Sandsteinamoretten hinaus ein Zimmer führt, wo vier Wochen lang die ersten vier Akte dieser Arbeit reiften. Am Sommer See folgte der fünfte.

In diesen schönen und nur die Gesetze des Ideals weckenden Umgebungen jene burlesken Erinnerungen aus der Geschichte des märkischen Sandes festzuhalten, war nur, sollte man denken, einem, trotz der »Staatsgefährlichkeit« seiner sonstigen Bestrebungen, mit Innigkeit seiner preußischen Heimat zugetanen Gemüt möglich.

Dennoch hat sowohl die Romantik von Sanssouci wie die Ästhetik des weiland Berliner Oberzensurkollegiums in Berlin zu allen Zeiten dies Stück verfolgt, verboten, ein- oder ein andermal es wieder freigegeben und selbst noch nach 1848 wieder verhindert. Als auf dem Friedrich-Wilhelmstädtischen Theater der alte würdige Genast von Weimar den König ein dutzendmal nacheinander gespielt hatte, kamen Hinckeldeys Boten und brachten die Meldung, man sähe höhern Orts die Aufführung nicht gern. Im Verkürzen und Schädigen seiner Bestrebungen ist dem Autor von Friedrich Wilhelm IV. geradezu alles geschehen. Doch will ich, zur Steuer der Wahrheit, nicht unerwähnt lassen, daß mau auch das Verbot milder motiviert hat durch die darin vorkommende Erwähnung der dem preußischen Königshause fatalistischen Berliner Schloß-Sterbesage – von der »Weißen Frau«.

Ein Muster der Unbefangenheit war früher die Dresdener Hofbühne. Namentlich kam in solchen und ähnlichen Nöten Emil Devrients energische Parteinahme für die Interessen der neuern dramatischen Literatur den Autoren stets zu Hilfe. Seinem künstlerischen Eifer verdankt auch diese wie manche andere Arbeit ihren Übergang auf diejenigen ersten Bühnen, deren Förderung einem deutschen Dramatiker allein lohnend und ermutigend sein kann. Leider hat der Krieg von 1866 »Zopf und Schwert«, das sich auch auf dem Burgtheater in Wien eingebürgert hatte, von dort wieder verbannt.

Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 77-79.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Zopf und Schwert
Zopf und Schwert
Zopf und Schwert
Zopf Und Schwert; Lustspiel In Fünf Aufzügen. With A Biographical And Historical Introd., English Notes, And An Index (German Edition)