Zweiter Auftritt


[177] Molière allein. Später kehrt Lefêvre zurück.


MOLIÈRE. Wag' ich mich weiter? In dies Palais ist sie gegangen! Schon immer bemerkt' ich, daß sie Geheimnisse hat –! Seit der König in Versailles ist, hofft' ich, diese mich zur Verzweiflung bringenden Dinge würden ein Ende nehmen – Aber sie sind alle falsch, diese Larven, die nur einmal eine Messerspitze voll Schminke auf ihre Wangen malten! Lug auf der Bühne – Lug hinter ihr – keine Empfindung, die wahr aus dem Busen quölle – eben noch treu in unserm Arm, eben noch zärtlich in unsere vertrauenden Augen lächelnd, und mit einem Tritt an die Lampen – hier, da an der Brüstung – gehören ihre Blicke der ganzen Welt, liebäugeln sie mit dem, dahin – dorthin – und das nennen sie Künstlerschaft, das nennen sie in den Geist ihrer Rollen eindringen!

LEFÊVRE zurückkehrend. Guten Morgen, Molière – Wie kommt die öffentliche Sicherheit zum Besuch eines Dichters, der die Polizei bald entbehrlich machen wird? Vor Molière ist ja kein Verbrechen mehr sicher.

MOLIÈRE. Ist Mademoiselle Armande beim Minister? Ich sah sie hier in das Hotel eines ihrer hohen Verehrer eintreten.

LEFÊVRE ans Fenster zeigend. Dort unten sehen Sie die reizende Sylphide über den Platz schreiten. Sie hat mir wegen Chapelle vergeben und ich hoffe, Molière, Sie tun es nicht minder –

MOLIÈRE. In der Tat, sie ist's. Was hatte sie hier – ist sie bestohlen worden?[177]

LEFÊVRE. Molière! Welches Mienenspiel! Sie können nicht an Stehlen denken, und man glaubt Sie bereits in der Rolle des Geizigen zu sehen. Bestohlen! Allerdings. Sie sind es, Molière!

MOLIÈRE. Ich bin bestohlen worden –

LEFÊVRE. Haha! Als wenn Sie den Geizigen spielten! Und ich sehe das ohne Eintrittsgeld!

MOLIÈRE. Hat man mir einen Diebstahl verschwiegen? Was ist mir entwendet worden?

LEFÊVRE. Man hat einen Menschen gesehen, der sich in die Proben Ihres neuen Stückes schlich, und während alle mit Andacht an ihren Aufgaben beschäftigt waren, in der Garderobe eine Ihrer – besten – – Perücken stahl.

MOLIÈRE. Perücken? Wirklich? Und darum wäre Armande hier gewesen? Die Perücke vielleicht, die ich im Menschenhasser trage? Sie war allerdings aus meinen eigenen Haaren zusammengesetzt, Herr Lefêvre, und die Sorgen die einen Theaterdirektor drücken, geben ihm nicht viel Aussicht, auf die Länge noch viel neue zu bekommen. Indessen Pferdehaare tun's auch, wenn auch die Tragödien der Akademiker, falls wir sie alle aufführen müßten, die Matratzen teurer machen dürften! Dank' Ihnen, Herr Lefêvre, für die gerichtliche Leseprobe des Nebukadnezar! Also davon wollte Armande Anzeige machen! Eine Perücke hat man mir gestohlen!

LEFÊVRE beiseite. Leichtgläubig, wie ein Kind! Laut. Molière, ein Advokat ist der Freund jedes Hilfebegehrenden! Ich sah den Kummer meines Freundes, die Tränen seines liebenden Weibes! Seien Sie überzeugt, Molière, daß ich mit derselben Unparteilichkeit – Was ist das für ein Geräusch?


Quelle:
Gutzkows Werke. Auswahl in zwölf Teilen. Band 2, Berlin, Leipzig, Wien, Stuttgart [1912], S. 177-178.
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