(I.)

Der unglůckselige Geitzhalß.

[3] Unter den schönen und schiffreichen Flüssen deß Königreichs Franckreich / ist fast der vornemste die Garonne / welcher Anfang und zwo grosse Stätte / Tholose / und Bourdeaux schliessen / jhren Lauff aber viel Fleken und Dörffer zu beeden Seiten belustigen. In dieses berühmten Flusses lustigen Thälern sihet man hin und wieder viel adeliche Schlösser / und werden darinnen die Soldaten gleichsam gewaffnet (wie jener von Thracia schreibet) geboren.

2. In dieser Gegend hatte seine Geburtstat ein unglückseliger geitziger von Adel / welcher diesen grossen Schauplatz jämmerlichen Mordgeschichte eröffnen sol. Seinen Namen wollen wir nennen Bergold / (Crispian) weil darunter sein anerbter Stamm gleichsam verborgen wird. Sein Vater hatte jhn / als einen eintzigen Sohn / zu einem Erben eines sehr reichen Vermögens hinterlassen / und jeder von seinen beeden Töchtern / zehen tausend Kronen / zu jhrer Aussteur /in seinen letzten Willen verordnet.

3. Bergold lässet sich mit so reichem Haab nicht vergnügen / sondern lüstert auch seiner Schwestern Antheil zu besitzen: massen deß Geitzes Eigenschafft ist niemals genug haben / und täglich ein mehrers zu wünschen. Er verheuratet sich an Eugeniam / eine reiche und vornehme Rahts Herrn Tochter / und beschwetzet seine Jüngere Schwester Martham / daß sie aus der Welt / und aus jhrer Angebühr väterlicher Verlassenschafft / den Fuß in das Kloster setzet /jhres Bruders Grausamkeit zu entfliehen. Bergold bedinget mit der Abbttesin 1500. Kronen / und verhofft die übermaß für sich zu behalten. Bevor sich aber Martha zu dem Nonnen Gelübd verpflichtet / lässet sie jhren letzten Willen zu Papier setzen / und[4] verschaffet jhren Antheil der Außsteur Spinellä jhrer ältern Schwester / weil sie jhren Bruder und ärgsten Feind mit allen ůberfluß und grossen Gütern wol versehen wuste.

4. Spinella heischte eine Zeit hernach solche Gelder / welche Bergold für die seinen gehalten / und wolte das unverhoffte Testament / als unbindig und von unkräfften ümstossen / erwartet auch keinen andern Richter / als seinen Zorn / welcher den trotzigen und ehrerührigen Außspruch mit der Faust vollzogen / und seine Schwester mit vielen Schlägen / aus dem Hause gestossen / daß sie gezwungen worden / sich bey jhrer Befreundin einer aufzuhalten / und die Sache Oberherrlicher Erkäntniß zu untergeben.

5. Spinella gewinnt den Obsieg Rechtens / jedoch mit Beding / daß der Bruder beeder Schwestern vermögen / biß zu jhrer Verheuratung inhändig behalten solte / darüber sich dann Bergold / welcher vermeint auch sich / durch übel halten in das Kloster zu zwingen / schmertzlich betrübet.

6. Als sich nun unterschiedliche Buler bey Spinella angegeben / hat doch Bergold mit allerley List jhre Werbungen unterkommen / und theils mit Lügen /theils mit Betrauung / theils durch bitten abgeschrecket. Wie aber sehr schwer ist alle Můcken aus einer vollen Kůchen zu jagen: als haben sich auch nicht alle Liebhaber von dieser reichen Jungfrauen wendig machen lassen / und ist unter vielen eine beharrt / welchen wir Sidonium nennen wollen / der jüngste Sohn eines armen Edelmanns in Gasconien / der mehr Hertz im Leib / als bahres Geld in dem Beutel gehabt. Dieser liesse sich noch bitten noch drauen abschrecken /weil er Spinella Gegenlieb versichert war / und beedertheils zu ehlicher Verlöbnis zu schreiten verhofften.

7. Bergold setzet sich mit grossem Eifer wieder solches Beginnen: sagend / daß er keinem solchen Bettelbuben seine Schwester lassen könne / brings auch bey dem Ehgericht / durch Bemittlung seines Schwer-Vaters ein Verbot aus / daß sie beede einander[5] müssig gehen solten. Dieses Verbot war den zweyen Verliebten ein Gebot / und gleichsam deß Schmidswasser / welches jhre glüende Liebe je mehr unn mehr erhitzte / durch absonderliche Vergůnstigung der Befreunden / bey welcher Spinella sich auffhielte.

8. Nach dem nun die Zeit kein Enderung / an Bergold gefasstem Vorsatz bringen wolte / entschliessete sich dieses blind-verliebte Paar mit der Flucht jhr Verlangen durch ordentliche Verehligung zu vollziehen: wähnende Bergold würde dann zu geschehenen Sachen das beste reden und willigen / was er nicht zu hindern vermöchte. Aber weit gefehlt.

9. Sie haben sich so bald nicht aus dem Staub gemacht / da ergreifft Bergold die erwünschte Gelegenheit / und beklagt Sidonium / als einen Jungfrau Rauber / und bittet die Ehe für unbindig / Sidonii Bildnis an den Galgen / und seine Schwester durch Ritterlichen Spruch in ein Kloster zu verschaffen / welches er auch beedes / und vermittelst solches Urtheils ihr Vermögen / erhalten.

10. Kein Vergleich / welchen die Flüchtigen inständig gesuchet / wolte bey so beschaffenen Sachen stat finden: sondern das Urtheil wird dergestalt vollzogen / daß das Bildnis Sidonii an den Galgen in der Stadt auffgehangen / und weil seine Schwester nicht zu betretten / erfreute er sich / daß auch die Unkosten / so er in dem Kloster herschiessen müssen / ersparet würden.

11. Bey Nacht wird das Bildnis Sidonii von seinen Freunden abgenommen: Bergold lässet ein anders machen / und bestellt eine Wacht darzu / damit es nicht mehr solte weggenommen werden. Sidonii Freunde bitten für solche Schande und trachten diesen Drachen zu besänfftigen: aber ümsonst. Deßwegen versamlen sie sich / und als sie die Wacht verjagen wollen / und das Bildnis / so zur Schande jhres Geschlechts aufgehangen worden / abnehmen / wird einer von den Schergen / durch Eleazar Sidonii vertrauten Freund erstochen.[6]

12. Bergold bringt durch seinen Schwer-Vatter zu wegen / daß Eleazar / welcher sich mit der Flucht retten muste / in gleicher Straffe / als Sidonius verurtheilt wird. Eleazar befedet Bergold und fodert ihn auff eine halbe Meil von der Statt / den Degen mit ihm zu messen. Bergold erscheint / lässet aber die Schergen in den Busch liegen / welche Eleazar handfest machen solten.

13. Als nun solches der verrahtne Eleazar erwitterte / und ihm den Paß abgeschnitten sahe / ergrimmt er so sehr / daß er seinen Verrähter Bergold den Degen durch die Rippen jagte / und sich selbsten in seines Gegners Degen verwundete. Bergold fiel todt zur Erden / und Eleazar muste sich gefangen geben / deß Bergolds Schwervater hat die Sache so ferne getrieben / daß dem Eleazar das Haubt durch den Hencker für die Füsse geleget worden.

14. Bergold hinterliesse einen Sohn / und seine Frau auff schwerem Fuß / welche als sie die traurige Zeitung / wie ihr Mann in allen seinen Sünden ermordet worden vernommen / eines todten Kinds zehen Wochen zu frühe genesen / und hat hernach auch die Welt gesegnet. Wenige Wochen darnach verstirbt auch Bergolds einiger hinterlassener Sohn.

15. Sidonius und Spinella fliehen nach solche Begebenheit zum König Henrich den Vierten dieses Namens / hochlöblichen Angedenckens / und erlangen gnädige Verzeihung ihres Verbrechens / benebens Widerstattung aller ihnen erblich angefallenen Güter deß verstorbenen Bergolds / welche in zwischen ihres Abwesens / sein Schwervater zu sich gerafft.

16. Hieraus erhellt / daß der Geitz ein Wurtzel deß Neids / Mords / unversehnlicher Feindschafft der Unbarmhertzigkeit / und wird endlich mit einem jämmerlichen Ende von dem gerechten Gott / zur Warnung aller Geitzhälse abgestrafft. Ein Poet setzte diesem Bergold eine Grabschrifft folgendes Inhalts.[7]


Allhier sein Begräbniß hat

Der nie war deß Geltes satt.

Bergold / (Bergold) war sein Name.

Wilst du Leser nicht entweichen

Wird er aus dem Graben reichen /

Zu dir / nach deß Beutels Same.

Der gewuchert fort und fort /

Ohne Scheue / Maß und Ziel

Bettelt / hörst dus? an dem Ort;

Dann dem Geitz ist nichts zu viel.

Tag und Nacht nach Wuchern trachten /

Arme hassen und verachten /

Seinen Nechsten Freund betrügen

In verkauffen / schinden / schaben

Niemals satt zu leben haben /

Wieder sein Gewissen lügen /

Solcher Leute letzter Lohn /

Ist deß Teuffels Marter-Kron.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 3-8.
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