(XXXII.)

Das unglückselige Glück.

[106] Wir sagen in dem Sprichwort. Es müssen gute Beine seyn / die starcke Tage ertragen können / »und zu allen / welche nach grossen Ehren und Reichthum trachten« / möchte man sagen die Wort unsers Heylandes: Ihr wisset nicht was ihr bittet. Das Geld wird mit Fug sorgenreich genennet / und haben solche Leute am wenigsten guter Tage darbey: Die Ehre aber bestehet in dem daß man durch Gefahr / zu grösserer Gefahr gelanget / wie Guevarra vom Hofleben redet. Dergleichen unglückseliges Glück werden wir sehen an Nivian / in folgender Geschichte.

2. In Champagnien pflügte Privat ein Bauer seinen Acker / als ein Rittersmann über Zwergfeld auf ihn zuriete / und ein kleines Kind benebens einem Beutel voll Goldes vorwiese / mit bitte er solte beedes annehmen / und mit diesem das andre auferziehen.

3. Den Bauren blendete das leuchtende Metall /und übernahme beedes sonder weitere Nachfrage: ließ auch das Kind von seiner Schnur / deren Sohn deren Sohn gestorben / seugen und auferziehen. Das Angesicht dieses Knäbleins gabe zu[106] erkennen / daß er von adelichem Geblüt gebohren / und wolte er mit zu wachsenden Jahren / unter seinen Spielgesellen allezeit der oberste seyn / und den andern in allen Sachen befehlen.

4. Macrin ein Landherr daherumb reiste durch das Dorff / und sahe diesen hurtigen Knaben / befragte sich wegen seiner Eltern / mochte aber ein mehrers nicht / als wir erzehlet / in Erfahrung bringen: deßwegen wird er Macrin / auf sein Begehren verabfolget /welcher ihn seiner Gemahlin / zu einem Edelknaben überlässet.

5. Abondate seine Frau liebte Nivian / wegen seiner schönen Gestalt / guten Sitten / und anständigen Höfligkeit / als er damals ungefehr das 14. Jahr erlangt. Macrin bereuete fast mit Eifer / daß er seiner jungen Gemählin so einen wolgestalten Diener gegeben.

6. Nach dem Macrin ungefehr erstochen worden /vermehret Abondate ihre Liebesflammen / und hette ihn geheuratet / wann sie nicht befürchtet die Abnutzung von ihrer Kinder vermögen zu verlieren / und verhofft an ihm ein Diener zu haben / da sie sonsten andrer Männer Dienerin seyn müste. Inzwischen reitzet sie den unbedachtsamen Jüngling zu ihren unziemlichen willen / wolte sich aber mit ihm aus vielen Ursachen nicht trauen lassen / unter welchen auch der übelstand ihrer beeder grosser Ungleichheit an Jahren / herkommen und vermögen nicht die geringste war.

7. Nivian aber war Lamberts eines vornehmen Herren Sohn / der in seiner Jugend eine schlechte Dirne geheuratet / und von ihr diesen Sohn erzeuget / so ihn durch einen seiner von Adel Privat genant anbefohlen. Lambert nahme nach seines Vatern Tod Rogellam eine Fräulein seines Stands / und hatte von ihr zwo Töchter / welche seine Mannslehen nicht ererben konten. Als er aber lange Zeit mit den Steinschmertzen geplaget wurde / entschloß er sich der Marter durch den Schnitt abzukommen / und als er zuvor sein Hauß beschicken wil / erinnert er sich nach zwantzig Jahren / dieses Sohns / und findet ihn nach[107] fleissigen Nachfragen noch im Leben und in der Abondante Diensten. Hierüber erfreuet er sich als ein Vater / und setzet ihn ein zu seinem Erben.

8. Als nun der alte Mann die Schmertzen nicht außstehen mochte / ist er deß Steins / und zugleich deß Lebens abgekommen. Seines Vaters Söhne haben diesen Einkömling sehr geneidet / und nach dem er Abondante zu heuraten verweigert / weil er sich zu hoch geachtet / wie sie ihn zuvor zu gering / und von den ihrigen keinen Beystand hatte / lassen ihn seine Vettern auf den Platz fordern / und weil er besser mit Frauenvolck / als mit dem Degen ümgehen können /ist er von den einem durchstochen worden / daß er also in seinem glücklichen vermeinten Zustande ohne Bereuung seiner Sünden / jämmerlich dahin gestorben. Abondante erkrancket über solcher Zeitung / und legte sich zu Bette / von dar man sie zu Grabe getragen.

9. Also hat Nivian mit dem Leben das Erbe verlohren / welches er bereit im Besitz hatte / und gehört hieher die Fabel von der Schwalbe und der Nachteule welche ihre jungen sollen zusammen heuraten. Weil aber das eine hitziger / und das ander kalter Natur /hat die alt Eule ihre jungen der Schwalben nicht trauen lassen wollen. So kan auch die hitzige Jugend kein grosses Glück vertragen / weil zu solchem mehr Verstand von nöhten / als sie bey so unreiffen Jahren noch nicht erlanget. Die Hauptlehre ist Eingangs bemeldet.

10. Reichthum pfleget zu verblenden /

Wie ein Spiegel der zerbricht /

Messer in deß Kindes Händen

Machen / daß das Kind sich sticht:

Wer sich stätig lässt verlangen

Groß zu seyn in dieser Welt /

Findet sich mit Angst umfangen /

Ob dem Sorgenreichen Gelt:

Besser ist es daß ein Christ /

Suche das was droben ist.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 106-108.
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