(L.)

Das Gespänst.

[166] Wir wollen auch auf diesen Schauplatz führen ein Gespenst / welches einen Frantzösischen Edelmann Robert genant / in Welschland bey Nacht / als er irr geritten / erschienen / und ihn in ein Wirtshauß gewiesen / in welchem der Wirt und Gäste Mördern und Strassenräubern gleich gesehen / deßwegen sich Robert zum Feuer gesetzet / seinen Degen in acht genommen / sein Pistol fertig gehalten / und in einem Buch gelesen.

2. Zu Mitternacht kommt das Gespänst wieder /und weiset ihm er solte folgen / welches er auch gethan / und in einem Garten zu einem Brunnen geführet worden / aldar das Gespänst verschwunden: Er wil nicht wieder zu rucke in das Hauß kehren / sondern erwartet mit grossem Verlangen / deß Tages / mit welches Morgenröte er wiederumb verreiset / und der Obrigkeit darbey anzeigt / was ihm begegnet: da dann so bald nachgeforschet und ein Kauffmann / der neulich ermordet / in dem Brunnen gefunden worden: deßwegen man etliche von den Thätern ergriffen / die ihre gebührende Straffe außstehen müssen.

3. Zween Tage hernach erscheint dieses Gespänst Robert wiederumb / und verspricht / ihm drey Tage für seinen Tod zu warnen / weil er gethan was recht gewesen. Verschwindet darauf und lässet ihn in düstern Gedancken nachsinnen / ob es ein guter oder böser Geist: massen er sich bestürtzt und ohne Trost /welchen sonsten die guten Geister hinter sich lassen /[166] wie auch ohne Furcht / so die bösen Geister mit sich bringen / befunden.

4. Nach dem er wieder in Franckreich gekehret /sich verheuratet und in allem wolergehn lebte kommet das Gespänst wiederumb / und sagt ihm er solte sein Hauß beschicken / und sich zum Tod bereiten / in dreyen Tagen werde er diese Welt verlassen müssen. Eine traurige Zeitung dem der gute Tage hatte / und fast zu vergleichen mit der Hand welche dem König Belzazar seinen Untergang verkündiget / oder mit Ezechiels Botschafft an den König Hißkiam.

5. Robert lässet diese Erinnerung nicht ausser der acht / und schicket sich zu dem letzten Abscheid / wie wol er nach und nach zweiffelte an der Erfolgung /weiln die drey Tage verflossen / und er sich bey guter Gesundheit und aller Sicherheit befande. Die Nacht zu ende der drey bestimten Tage fängt der Hund / welchen Robert in seiner Kammer schlaffen lassen an zu bellen: Er springt aus dem Bette ergreifft den Degen /eröffnet die Kammer / und wil das Gesind aufwecken / in dem wird er auf der Stiegen durch und durch gestochen / daß ihm der Degen in dem Leib stecken verbleibt / und der Thäter über seinem halbtodten Leichnam darvon springt.

6. Wer dieser Meuchelmörder gewesen / kunte niemand wissen / allein wurde der Degen erkannt / daß er Sarmont / einem seiner besten Freunde zuständig /der sich damals in Holland aufgehalten. Robert verzeihet seinem Mörder von Hertzen / und befihle man sol deßwegen keine Nachfrage halten / verstirbt also folgenden Tages sehr Christlich.

7. Sarmont / deß verstorbnen Freund / hatte umb Nerinam vor Robert gebulet / und war in dem Hause vor seinem verreisen in Niederland wol bekannt gewesen: daher nahme Falsia die Magd im Hause Ursach außzugeben / Sarmont hette ihren Herrn den Robert umgebracht / und hielte sich heimlich in der Gegend auf / wie der Degen beglaubt / oder hette ihn verrähterischer weise erwürgen lassen / durch einen andern / Nerinam die hinterlassne Wittib / zu freyen.[167]

8. Diese Verleumbdung wurde hernach offenbar /als Falsia sich auf schwerem Fusse befande / und in Kinds- und Todesnöhten bekente / Morin Sarmonts Diener / welchen er wehrhafft gemacht / und mit seinem Degen beschencket / were Vater zu ihrem Kind /und Roberts Mörder: Aller massen auch besagter Morin solche Warheit durch seine Flucht bestettiget.

9. Hierbey könte man fragen: Ob und wie der Satan das zukünfftige wisse? Ob alle Gespänste Teuffels Wercke? Ob der ermordten Geister sich eine zeitlang sehen lassen? Ob auch die Frommen nach diesem Leben wieder erscheinen könnē? Viel dergleichē Fragen wollen wir zu andrer Gelegenheiten versparen.

10. In zwischen aber ist zu lernen / dz man die Vorsagung der Todesstunde nicht sol aus dem Sinn schlagē / wie Julius Cæsar und König Heinrich der vierdte dieses Namens gethan: sondern sich einen Tag zuvor zum Tode bereitet / wie jener Rabbi gesagt / als ihm aber der andre geantwortet / daß man eben solchen Tag nicht wissen könte / hat der Rabbi geantwortet: Darumb musse man sich alle Tage darzu gefasst machen / weil wir alle Tage dem Tode näher kommen: Und Sirach vermahnet deßgleichen / wann er saget: Mensch was du thust / so betrachte dz Ende.


Rähtsel.

An den Leser.


Sag kennest du das Hauß / so von Papier gebauet:

Hat einen grossen Platz / da man gebildet schauet

Mit schwartzer Dinten Farb / so manches Trauerspiel?

Der zarte Pinsel ist mein leichter Federkiel.


Ende deß andern Theils.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 166-168.
Lizenz:
Kategorien: