(LXVII.)

Die ungleichen Schwestern.

[225] Der gezwungene Wille ist kein Wille / weil ich das nicht wil / was ich aus Furcht oder aus dringender Noht wollen muß. Wann einer in einem Sturm / das Schiff zu erleichtern / alle Kauffmannswaaren in das Meer wirfst / so zwinget ihn die Noht zu thun / was er nicht zu thun gewillt gewesen. »Also thun die Eltern unrecht / wann sie ihre Kinder zu heuraten zwingen /und ihre Neigungen so vielmals rechtmässig sind /nicht beobachten.«

2. Pansonia und Damonida waren zwo Schwestern gleicher Schönheit / wiewol gantz ungleichen Sinnes /dann die ältste mit sondrer Bescheidenheit begabt /eine grosse Neigung zu der Gottesfurcht: die jüngste aber hatte die Welt lieb gewonnen / suchte die Gefellschafften und stoltze Bekleidungen / verbliebe aber doch in den Schranken der Zucht und Ehren.

3. Der Vater kunte nur eine aussteuren / und vermeinte die ältste zu verheuraten / die jüngste aber in ein Kloster zu bringen; weil er sahe / daß die ältste verständig genug ein Haußhalten zu führen / die jüngste aber leichtsinnig und dolkühn / welchen Mangel die Einsamkeit heilen solte. Der Vater meinet es gut /und weil er ein ernstlicher Mann / muste es alles nach seinem Kopf gehen / und zwange er seine Töchter ihme auch in diesem zu gehorsamen.

4. Also wurde die älste einem Jüngling vertraut /welcher keine Neigung zu dem Ehestand / und vielmehr seiner Eltern willen / als seinem folgen musste. Ihr Ehebette war also unfruchtbar / jedoch friedlich und schiedlich. Nach ihrer Eltern Tod / wollen sie sich beederseits scheiden / Damonida hingegen das Kloster verlassen / und in die Welt kehren.

5. Weil nun solches nicht eigenthätig geschehen[226] möchte / mussten sie / darüber urkunden zu Rom erhalten / welches sie auch / auß angehörten wichtigen Ursachen üm die Gebühr / erlangt / und sind also diese Eheleute aus freyem Willen in die Klöster / Damonida hingegen heraus gegangen / und sich mit Ephialt / einen jungen Kauffmann verehlichet.

6. Nach deme etlich Jahre verflossen / und Damonida ihres Mannes genug / lässet sie sich gelüsten mit einem Edelmann Kundschafft zu machen; und weil sie nicht zween Männer haben kunte / trachtete sie ihren mit Gifft hinzurichten; der Mann aber sahe daß diese ihme die Farbe nicht halten wolte / und will sie wegen des Edelmanns deme sie nachgeloffen / straffen / sie aber entlaufft / und stürtzet sich in einen tiefen /Brunnen / daraus man sie halb ersticket / halb zerfallen und zerstossen ziehen müssen.

7. Mit genöhten Hunden jagen /

seiner Kinder Willen zwingen /

sich mit fremden Sorgen schlagen /

und nach bösen Dingen ringen /

giebet selten gutes End /

und wird viel zu spat erkennt.

Quelle:
Georg Philipp Harsdörffer: Der Grosse Schau-Platz jämmerlicher Mord-Geschichte. Hamburg 1656, S. 225-227.
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