Dritte Szene


[115] Genoveva tritt wieder auf.


KATHARINA zu Margaretha.

Fort! Spute dich! Die Gräfin kehrt zurück!

Wir sehn uns wohl zur Nacht noch.

MARGARETHA.

Meine Saat

Ist aufgegangen. Sei gewiß, sie will

Jetzt bei mir fragen nach dem Wie und Wo.

KATHARINA.

Du irrst dich!

GENOVEVA für sich.

Sie ist schlecht. Doch – sie ist alt.

Ich übereilte mich. Ich mach es gut.

Sie soll, die erste, nicht von dannen ziehn,

Der ich nicht Speis und Trank und Herberg bot.


Sie nähert sich Margarethen und bleibt unentschlossen stehen.


MARGARETHA zu Katharina.

Siehst du? Sie ist verlegen. Nun, ich will

Es ihr erleichtern. Wie sie mit sich kämpft!


Sie faßt Genovevas Hand.


Soll ich noch einmal lesen, edle Frau?[115]

GENOVEVA entreißt ihr die Hand.

Nein! Diesem Weibe bitte ich nichts ab!


Sie wendet sich stolz und geht.


DRAGO begegnet ihr.

GENOVEVA bleibt vor Drago stehen.

KATHARINA.

Da hast dus!

MARGARETHA.

Meinst du, daß es mich verdrießt?

Das nicht! Das nicht! Doch freilich merk ichs mir.

Mich kitzelts, wenn man schaudernd vor mir weicht,

Ich denke dann: Du hast ein Angesicht,

Das einst die Häscher dir verscheuchen wird,

Wenn sie zur Nacht mit ihren Stricken nahn.


Auf Genoveva und Drago deutend.


Ei, wie vertraulich!

KATHARINA.

Was denn?

MARGARETHA.

Weißt du nicht,

Warum ein Schwan so weiß ist? Daß man ihn

Mit Kot bewirft. Dann dient der Flügelschnee

Dazu, daß dunkler ihm die Flecken stehn,

Wie der gemeinen Gans!

GENOVEVA zu Drago.

Ihr geht zu Bett,

Wenn ich nicht zürnen soll. Das Fieber hat

Euch zwar verlassen, doch Ihr seid noch schwach

Tuts, Drago!

DRAGO.

Wenn Ihr es durchaus so wollt!


Für sich.


Ich steh doch wieder auf!


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 115-116.
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