Erste Szene

[571] Herodes und Salome.


HERODES.

Hör auf, hör auf! Ich habe das Gericht

Bestellt und werde seinen Spruch vollziehn!

Ich, der ich sonst vor jedem Fieber bebte,

Wenns auch nur ihre Kammerfrau befiel,

Ich selbst bewaffne gegen sie den Tod!

Das sei genug! Wenn dich dein Eifer noch

Nicht ruhen läßt, wird er sein Ziel verfehlen,

Ich werde denken, daß der Haß allein

Aus deinem Munde spricht, und dich als Zeugin

Verwerfen, wenn ich jede Kerze auch

Als solche gelten lasse, die geflammt,

Und jede Blume, die geduftet hat!

SALOME.

Herodes! Leugnen will ichs nicht, ich habe

Nach ihren Fehlern einst gespäht und sie

Vergrößert, wie du selbst die Tugenden,

Die du an ihr entdecktest. War der Stolz,

Womit sie mir und deiner Mutter immer

Begegnete, war er ein Grund zur Liebe?

Sie gab sich als ein Wesen höhrer Art,

Das niemals einen anderen Gedanken,

Als den, in mir erregte: wozu ist

Das dicke Buch, das von den Heldentaten

Der Makkabäer uns erzählt, nur da?

Die trägt ja selbst die Chronik im Gesicht!

HERODES.

Du willst mich widerlegen und besiegelst

Den Spruch, den ich gefällt!

SALOME.

Hör mich nur aus!

So wars, ich leugn es nicht. Doch wenn ich jetzt

Mehr sagte, als ich weiß und denk und fühle,

Ja, wenn ich nicht aus schwesterlichem Mitleid[571]

Die Hälfte dessen, was ich sagen könnte,

Noch in der Brust verschloß, so soll mein Kind –

Ich liebe es ja wohl? – so viele Jahre

Erleben, als sein Scheitel Haare zählt,

Und jeder Tag ihm so viel Schmerzen bringen,

Als er Minuten, ja Sekunden hat!

HERODES.

Der Schwur ist fürchterlich!

SALOME.

Und dennoch fällt er

Mir leichter, als das Wort: die Nacht ist schwarz!

Mein Auge könnte krank sein, doch unmöglich

Ist mit dem Auge krank zugleich das Ohr,

Ja, der Instinkt, das Herz und jegliches

Organ, das meine Sinne unterstützt!

Und alle stimmen diesmal so zusammen,

Als könnten sie sich gar nicht widersprechen.

Ja, hätte Gott in jener Festes-Nacht

Mir aus des Himmels Höhen zugerufen:

Von welchem Übel soll ich eure Erde

Befrein, du hast die Wahl, so hätt ich nicht

Die Pest, ich hätt dein böses Weib genannt!

Mir schauderte vor ihr, mir war zumut,

Als hätt ich einem Dämon aus der Hölle

Im Finstern meine Menschenhand gereicht,

Und er verhöhnte mich dafür, er träte

In seiner eignen schrecklichen Gestalt

Aus dem gestohlnen Leib von Fleisch und Blut

Hervor und grinste mich durch Flammen an.

Auch schauderte mir nicht allein, der Römer

Sogar, der ehrne Titus, war entsetzt!

HERODES.

Ja wohl, und der wiegt schwerer, als du selbst,

Denn, wie er keinen liebt, so haßt er keinen

Und ist gerecht, wie Geister ohne Blut.

Verlaß mich jetzt, denn ich erwarte ihn!

SALOME.

Nein, niemals werd ich diesen Tanz vergessen,

Bei dem sie nach dem Takte der Musik

Den Boden trat, als wüßte sies gewiß,

Daß du darunter lagst! Bei Gott, ich wollte,

Ich müßte das nicht sagen! Denn ich weiß,[572]

Wie tief es dich, der du ihr Mutter, Schwester,

Und was nicht, opfertest, empören muß!

Allein, so war es!


Ab.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 571-573.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Herodes und Mariamne
Herodes Und Mariamne
Herodes Und Mariamne
Herodes Und Mariamne (Dodo Press)
Herodes und Mariamne
Herodes Und Mariamne: Eine Tragödie in Fünf Akten (German Edition)

Buchempfehlung

Aristophanes

Die Wolken. (Nephelai)

Die Wolken. (Nephelai)

Aristophanes hielt die Wolken für sein gelungenstes Werk und war entsprechend enttäuscht als sie bei den Dionysien des Jahres 423 v. Chr. nur den dritten Platz belegten. Ein Spottstück auf das damals neumodische, vermeintliche Wissen derer, die »die schlechtere Sache zur besseren« machen.

68 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier III. Neun weitere Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.

444 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon