Zehnte Szene

[744] TÖRRING tritt auf.

AGNES. Ihr noch hier?

TÖRRING. Ich bleibe, edle Frau! Es ist einer aus Augsburg da, ich darf ihn wohl schicken?

AGNES. Aus Augsburg?

TÖRRING geht ab, gleich darauf erscheint Theobald.

AGNES ruft ihm entgegen. Theobald!

THEOBALD. Agnes – Frau Herzogin, wollt ich sagen – Nicht? So ists recht?

AGNES. Laßt das! Kommt mein Vater auch? Doch, was frag ich! Wie könntet ihr euch alle beide zugleich entfernen![744]

THEOBALD. Nun, das – Aber Ihr wißt, wie er ist! Er meint, Ihr solltet Gott danken, wenn Euch der Vater endlich vergeben und vergessen sei, und ihm keine Boten weiter senden, es helfe doch nichts, denn er seinerseits kenne seine Schuldigkeit und werde den alten Bartkratzer hier nicht in Erinnerung bringen! Es freue ihn zwar von Herzen – und das tuts auch, ich weiß es, darum kehrt Euch nicht an ihn – daß Ihr noch an ihn dächtet, und daß auch Euer Herr sich seiner nicht schäme, aber er verstehe das besser, und Ihr mögtet aufhören, ihn zu quälen!

AGNES. Und das ist alles, was Ihr mir von ihm melden sollt? Nur, um mir das zu sagen, habt Ihr die weite Reise gemacht?

THEOBALD. Nun, das gerade nicht! Ich hatte wohl auch noch einen anderen Grund!

AGNES. Und der – muß er mir Geheimnis bleiben?

THEOBALD. Ach, warum auch! Wir hören nun seit Jahren so allerlei, und da wollt ich, da sollt ich doch einmal sehen –

AGNES. Ob ich auch wirklich glücklich sei? O, wärt Ihr doch eine Stunde früher gekommen! Dann hättet Ihr mit eigenen Augen – – Doch nein, nein, es ist besser so! Und Ihr? In Augsburg?

THEOBALD. Wegen des Vaters braucht Ihr Euch nicht zu ängstigen! Gleich nachdem Ihr fort wart, baute er sich den neuen Ofen, an den er früher nie die Kosten wagen wollte, und das hat sich ihm belohnt.

AGNES. Ich danke Gott dafür!

THEOBALD. Er hat allerlei entdeckt, mehr als er zeigen darf, wenn er nicht noch ärger als Hexenmeister ins Geschrei kommen will. Dinge, sag ich Euch – es ist schade, daß Ihr sie nicht sehen könnt. Das wird nun so wieder mit ihm untergehen. Doch, es ist auch manches darunter, was er nicht zu verbergen braucht, und dabei steht er sich schon gut genug. Er könnte sich nun gern ein Gärtlein kaufen, wie Ihr es immer wünschtet.

AGNES. Und Ihr selbst, Theobald?

THEOBALD. Mir gibt er jetzt doppelten Lohn!

AGNES. Ach, das will ich nicht wissen!

THEOBALD. Nun, ich lache noch zuweilen über mich! Und das recht von Herzen, Ihr könnt mirs glauben! Noch vorhin, als ich den Herzog, Euren Gemahl, zu Pferd daher kommen sah.[745] Freilich, das ist ein Mann! Und wie er Euch lieben muß, kann man schon daran sehen, daß er seine Leute so warten läßt, was doch gar nicht Ritterart ist! An denen kam ich bereits vor einer Stunde vorbei, und sie mußten schon lange stehen, denn sie waren höchst ungeduldig.

AGNES. Das ist ja nicht möglich! Er hat sie ja bei sich!

THEOBALD. Zehn oder zwölf! Ich meine die übrigen!

AGNES. Die übrigen? Ei, er reitet ja nur zum Turnier und nimmt nicht einen Mann mehr mit!

THEOBALD. Und doch sah ich eine Stunde von hier hinter dem Föhrenwald, wo die Hügel sich senken, einhundertundfunfzig oder zweihundert Gewappnete, den Fuß im Bügel, die Lanze in der Hand und das Gesicht gen Straubing gekehrt, als ob sie ihren Führer oder sonst etwas von dort erwarteten!

AGNES. Ich erschrecke. Wo?

THEOBALD. Ei, an der Münchner Straße!

AGNES. An der Münchner Straße? Er reitet nach Ingolstadt.

THEOBALD. Auch sprengte ein Geharnischter, der von hier kam, in wilder Hast an mir vorbei. Ich dachte, der sagte ihn an. Jetzt fällts mir ein, daß er verkappt war!

AGNES. Das ist höchst verdächtig, das muß Törring wissen, das – Mein Gott, hört, der Burgwart stößt ins Horn, daß es zerspringt – Trompetengeschmetter von allen Seiten – ganz nah – immer näher – das ist nichts Gutes – das ist Herzog Ernst!


Man hört das alles.


THEOBALD. Es ist nichts Gutes! Geschrei! Waffengeklirr! Gilt das denn Euch? Kein Zweifel, man stürmt! Und sie sind schon aneinander.


Man hört das alles.


AGNES. Das ist nicht möglich! Das Schloß hat Mauern und Gräben.


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 1, München 1963, S. 744-746.
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