Dritte Szene

[260] Etzel tritt mit Gefolge ein.


ETZEL.

Nun wirst du doch mit mir zufrieden sein?

Und wenn dus noch nicht bist, so wirst dus werden,

Bevor ich dich verlasse. Sag nur an,

Wie ich die Deinigen begrüßen soll.

KRIEMHILD.

Mein König –

ETZEL.

Stocke nicht! Bedinge dirs,

Wie's dir gefällt! Ich ging bis an das Tor,

Als ich den alten Dieterich von Bern

Zuerst empfing, und trug ein Diadem.

Dies war bis jetzt mein Höchstes, aber heut

Bin ich zu mehr bereit, damit sie sehn,

Daß auch der Heune dich zu schätzen weiß.

Bis an die fernsten Marken meines Reichs

Hab ich die Könige voraus gesandt,

Die mehr aus Wahl mir dienen, als aus Zwang,

Und Freudenfeuer, die von Berg zu Berg

Entzündet werden, flammen ihnen zu,

Daß sie an Etzels Hof willkommen sind

Und uns, auf welcher Straße sie sich nahn.

Soll ich nun auch noch Kronen-Probe halten

Und meinen Purpur einmal wieder lüften,

So sprichs nur aus und kehr dich nicht daran,

Daß mich ein Zentner Eisen nicht so drückt,

Wie eine Unze Gold. Ich wähle mir

Die leichteste, und wenn du danken willst,

So kannst du sie mit einem roten Band

Mir für das Fest der Sonnenwende merken,[260]

Damit ich sie sogleich zu finden weiß.

KRIEMHILD.

Mein Herr und mein Gemahl, das wär zu viel.

ETZEL.

Zu viel vielleicht für sie, doch nicht für dich!

Denn du erfülltest mir den letzten Wunsch,

Der mir auf Erden noch geblieben war,

Du schenktest mir den Erben für mein Reich,

Und was ich dir im ersten Vater-Rausch

Gelobte, halt ich auch: Du kannst nicht fordern,

Was ich versagte, seit ein Sohn mir lebt.

Und wenn du nichts für dich verlangen magst,

So laß michs an den Deinigen beweisen,

Daß es mir Ernst mit dieser Rede ist.

KRIEMHILD.

Vergönne denn, daß ich sie nach Verdienst

Und Würdigkeit empfange und behandle,

Ich weiß am besten, was sich für sie schickt,

Und sei gewiß, daß jeder das erhält,

Was ihm gebührt, wie seltsam ich das Fest

Auch richten und die Stühle setzen mag.

ETZEL.

So seis! Ich lud ja nur auf deinen Wunsch,

Denn Vettern, die mich sieben Jahr verschmähn,

Kann ich im achten, wie sie mich, entbehren,

Drum ordne alles, wie es dir gefällt.

Wenn du mein halbes Reich verschwenden willst,

So stehts dir frei, du bist die Königin,

Und wenn du deine Kuchen lieber sparst,

So ists mir recht, du bist des Hauses Frau!

KRIEMHILD.

Mein Herr und König, edel bist du stets

Mit mir verfahren, doch am edelsten

In dieser Stunde. Habe Dank dafür.

ETZEL.

Um eins nur bitt ich: Laß mich deiner Huld

Den alten Dieterich von Bern empfehlen,

Wenn du ihn ehrst, so tust du, was mich freut.

KRIEMHILD.

Es soll geschehn, und das von Herzen gern.

ETZEL.

Die Herrn von Thüring und von Dänemark

Schickt ich hinab, die Gäste zu begrüßen,

Doch Dietrich zog aus freien Stücken mit.

KRIEMHILD.

Er wird sie kennen!

ETZEL.

Nein, er kennt sie nicht.[261]

KRIEMHILD.

Sie ehren oder fürchten!

ETZEL.

Auch nicht! Nein!

KRIEMHILD.

Dann ist es viel!

ETZEL.

Weit mehr noch, als du glaubst.

Denn sieh: Es sind drei Freie auf der Welt,

Drei Starke, welche die Natur, wie's heißt,

Nicht schaffen konnte, ohne Mensch und Tier

Vorher zu schwächen und um eine Stufe

Herab zu setzen –

KRIEMHILD.

Drei?

ETZEL.

Der erste ist –

Vergib! Er war! Der zweite bin ich selbst.

Der dritte und der mächtigste ist er!

KRIEMHILD.

Dietrich von Bern!

ETZEL.

Er hält es gern geheim

Und rührt sich nur, wie sich die Erde rührt,

Wenn er nicht anders kann, doch sah ichs selbst.

Du kennst die Heunen: tapfer, wie sie sind,

Muß ich den Übermut gewähren lassen,

Der sie erfüllt vom Wirbel bis zum Zeh!

Wers Handwerk kennt, der weiß, daß der Soldat

Im Feld nur darum unbedingt gehorcht,

Weil er im Stall zuweilen trotzen darf,

Und willig läßt er ihm das kleine Recht,

Die Feder so, die Spange so zu tragen,

Das er mit seinem Blut so teuer zahlt.

Drum kann ich auch die edlen Könige

Nicht so vor aller Ungebühr bewahren,

Wie ichs wohl mögte, auch mein letzter Knecht

Will seinen Teil von Etzels Macht und Ruhm,

Die er als allgemeines Gut betrachtet,

Und zeigts, indem er pfeift, wenn andre beten,

Und schnalzt, wenn er sie höflich grüßen sieht.

So wagte einer hinter Dietrichs Rücken

Denn auch ein freches Wort, und das den Tag,

An dem er kam, er sah sich schweigend um

Und schritt zu einer Eiche, riß sie aus

Und legte sie dem Spötter auf den Rücken,[262]

Der knickte unter ihrer Last zusammen,

Und alles schrie: Der Berner lebe hoch!

KRIEMHILD.

Das ahnt ich nicht!

ETZEL.

Er schwört sein Lob so ab,

Wie andre ihre Schande, und er würde

Die Taten gern verschenken, wie die Beute,

Wenn sich nur Nehmer fänden. Doch so ists!

KRIEMHILD.

Und dennoch? – Über allem Menschenkind,

Und dein Vasall?

ETZEL.

Ich selbst erschrak, als er

Mit abgelegter Krone vor mich trat

Und seinen Degen senkte. Was ihn trieb,

Das weiß ich nicht, allein er dient mir treuer,

Wie viele, die ich überwand im Feld,

Und schon an sieben Jahr! Ich hätt ihn gern

Mit meinen reichsten Lehen ausgestattet,

Doch nahm er nichts, als einen Maierhof,

Und auch von diesem schenkt er alles weg,

Bis auf ein Osterei, das er verzehrt.

KRIEMHILD.

Seltsam!

ETZEL.

Errätst auch du ihn nicht? Er ist

Ja Christ, wie du, und eure Bräuche sind

Uns fremd und unverständlich. Kriecht doch mancher

Von euch in Höhlen und verhungert da,

Wenn ihm kein Rabe Speise bringt, erklettert

In heißer Wüste schroffe Felsenklippen

Und horstet drauf, bis ihn der Wirbelwind

Herunter schleudert –

KRIEMHILD.

Heilige und Büßer,

Doch Dietrich trägt ein Schwert.

ETZEL.

Gleichviel! Gleichviel! –

Ich mögt ihm endlich danken, und mir fehlt

Die Gabe, die er nimmt. Tu dus für mich!

Du bist uns noch das erste Lächeln schuldig:

Schenks ihm.

KRIEMHILD.

Du sollst mit mir zufrieden sein![263]


Quelle:
Friedrich Hebbel: Werke. Band 1–5, Band 2, München 1963, S. 260-264.
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