Entweder – oder

[28] Mel. Es war'n mal drei Gesellen.


Es war'n einmal zwei Drohnen,

Die wollten nicht werken und frohnen.

Sie quälten beide sich

Um Nahrung gar nicht sehr;

Die eine thät gar nichts,

Die andre nicht viel mehr.


Da sprach die eine zur andern:

Beschwerlich ist das Wandern.

Ich weiß ein schönes Haus

Mit Speis' und Trank vollauf,

Komm, laß uns dahin richten

Fein eilig unsern Lauf.[29]


Es sollen uns die Bienen

Das Brod schon mit verdienen;

Und wenn sie uns nicht lassen

Gutwillig in das Haus,

So stürmen wir hinein

Und jagen sie hinaus.


Kaum war die Nacht gewichen,

So kamen die Drohnen geschlichen;

Sie klopften nicht erst an,

Sie zogen keck hinein,

Man hieß die stolzen Gäste

Ganz gottwillkommen sein.


Da lebten im Saus' und Brause

Die Drohnen in dem Hause;

Sie aßen und sie tranken

Den ganzen lieben Tag,

Sie tranken und sie aßen

Was einer nur vermag.[30]


Die Bienen darob sich beklagten,

Und endlich die Gäste fragten:

Ihr Drohnen wollt nichts thun –

Sagt an, was fällt euch ein?

In unserm Staate hier

Muß jeder thätig sein.


Da sprachen die Drohnen zu ihnen:

Ihr lieben guten Bienen!

Wir sind von altem Adel,

Ein freigebor'n Geschlecht;

Daß ihr uns müßt ernähren,

Das ist ja unser Recht.


Die adelichen Drohnen,

Sie wollten nicht werken und frohnen,

Sie lebten nach wie vor

In kummerloser Ruh',

Und wurden immer mehr,

Und schmausten immerzu.[31]


Das hat denn die Bienen verdroßen,

Und sie haben einen Bund geschlossen.

Da war die Sache bald

Und gründlich abgemacht:

Sie schlugen eines Tags

Die große Drohnenschlacht.

Quelle:
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben: Deutsche Lieder aus der Schweiz, Hildesheim/New York 1975, S. 28-32.
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