Liebe zwischen Rudolphen Königen in Burgundien und Einer fürnehmen Marckgräfin Ermegarden

[27] Damals als es wegen Regierungs Sachen in Italien oder vielmehr in Lombardien ziemlich verworren hergieng, und einer dem andern entweder mit Gewalt oder mit List von dem Throne drang, geschahe es, daß nach Königs Berengars Tode, so vom Flamberten jämmerlich ermordet worden, Rudolph König in Burgundien, wie er albereit einen guten Anfang gemacht, sich des Reiches anmassete. Es lebete dazumahl eine junge Wittib, eines mächtigen Marckgrafens hinterlassene Gemahlin, eine von den anmuthigsten ihrer Zeit, und die ihr hochangelegen seyn ließ den Scepter der Liebe und des Regiments zugleich in ihren Händen zu führen. Die Großen, gegen die itzt gedachte Heldin nicht zu unbarmhertzig war, hielten es vor eine Ehre aus derselben Munde Gesetze zuempfangen, den sie so offt mit Liebligkeit zuvor geküst hatten, und der gemeine Mann billichte das Urtheil der Fürnehmen, wie dann auch mehr gedachte Marckgräfin sich allbereit der Hauptstadt in Lombardi Paviens bemächtiget, und in wenig anderer Beschaffenheit als Königin darin Hof hielt. Rudolphen, der wegen hochwichtiger Geschäfte auf etliche Zeit in sein voriges Königreich Burgundien gereiset war, gefiel diese Gefährliche Neuerkeit über die massen übel, wie er dann auch schleunig mit einer ziemlichen Kriegesmacht nach Italien rückte, und mit denen Völckern,[27] so ihm der Bischoff von Meilandt zugesendet, sich vor Pavie legte, in Meinung die Löwin nunmehr in ihren Lager zubesuchen. Ermegarde, so kein Mittel mehr übrig sahe, sich gegen diesen strengen Feind zuschützen, vertrauete endlich die Sache der Feder, und schrieb an Rudolphen durch eine gewisse Person einen Brief, der ihm auch, ich weiß nicht durch was verborgene Kraft, dahin trieb, das er die seinigen zuverlassen, und zu dieser süssen Feindin zu fliehen ihm fürnahm. So muß, wann das Verhängnüß will, der Harrnisch zu einem Hochzeitkleide, und der Wall zu einem Brautbette werden. Rudolph gieng selbige Nacht, als er ihm seine Flucht fürgenommen, zeitlich schlaffen, wenig Stunden hernach machte er sich auff, und flohe nebenst einen abgeordneten, der ihm den Weg zeigete, eilend auf Pavie. Wie ihn allda die hitzige Ermegarde wird empfangen haben, gebe ich diesen zuerwegen, so in dergleichen Sachen nachdencklicher als ich seyn. Dieses melden die Geschichtschreiber, daß seine Obersten bey angebrochenen Tage etliche Stunden nicht gewust, was sie wegen so langer Ruh ihres Königes ihnen gedencken solten, endlich aber aus Argwohn, daß er nicht etwa wie ein Holofernes ermordet seyn möchte, die Cammer eröffnet und ein leeres Bett angetroffen haben. Da denn auch bald erschollen, daß Rudolph sich nach keiner Judith, sondern einer Helenen umgesehen, weßwegen denn und aus Furcht eines geschwinden Uberfalles sich das gantze Läger verlauffen, diese zwey Liebhabende aber von diesem Reiche endlich nichts mehr genossen, als die liebreiche Hoffnung, das Sie haben regieren wollen.


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band36, Stuttgart [o.J.], S. 27-28.
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