Zwölfter Auftritt.

[248] Vorige. Nante. August. Mine. Lämmlein. Beamter.


NANTE den August am Kragen haltend. Herr Criminal, der Mensch hat mich verführt, ein Kind aus dem Hause zu stehlen. Dafür hat er mit mir wollen halb Part machen[248] von seinem Diebstahl aus der Chatoulle. Hernach aber hat er mich wollen anführen, und wie ich ihn packte – denn ich bin viel stärker als er, – und wollte mir zu mein gutes Recht verhelfen, da war die Chatoulle weg und er dachte: er käme so davon. Aber ne! Ich hab' es mir geschworen, krieg' ich nicht meine Hälfte, so geb' ich ihn an. Hier ist er! Und ich bitte nu um meine Belohnung und Prämie, daß ich so'n gefährlichen Dieb anzeigen thue.

COMMISSAIR. Sie soll Dir nicht entgehen, Du ehrlicher Schelm!

NANTE. Das hoff' ich auch.

COMMISSAIR zu August. Wo ist die Chatoulle?

AUGUST trotzig. Was weiß ich? Der Kerl ist besoffen.

COMMISSAIR. Wie lange bist Du aus dem Zuchthause?

AUGUST betroffen. Ich?

COMMISSAIR. Du! – Meinst Du, ich kenne Dich nicht? Und weißt Du, wie man mit Deinesgleichen verfährt, bei so frechem und dummem Leugnen? – Wo ist die Chatoulle?

AUGUST kleinlaut. In meiner Extra-Chaise – die hält Frankfurter Linden, hundert Schritt vom Thor. Ich hab' dem Postillon gesagt, ich müßte meinen Herrn von seiner Braut abholen.

COMMISSAIR giebt dem Beamten einen Wink.

BEAMTER geht hinaus, kommt jedoch bald wieder.

COMMISSAIR. Warum ließest Du das Kind rauben?

AUGUST. Hier, der Herr Lämmlein, der Schwager von Madame, der hat mich's geheißen.[249]

MINE. Ja, der sagte, er wollt' es zu frommen Leuten bringen, daß es mehr Religion bekäme, sonst hätt' ich mich nicht damit eingelassen.

EHRENTHAL. Das galt der Erbschaft.

COMMISSAIR. Ei, das ist ja ein fein angelegtes, schön verwickeltes Bubenstück. Solche Gewebe zu entwirren, möchte diese Nacht zu kurz werden. Ach, welche Berge von Akten werden aus den Lügen dieser würdigen Gesellschaft erwachsen.

AUGUST. Ich habe mir vorgenommen, in allen Stücken die Wahrheiten zu sagen. Das viele Verhören ennuyiert mir.

COMMISSAIR. Solche Vorsätze müssen benützt werden. Wo war Dörthe bei Euern Unternehmungen?

AUGUST. Meines Wissens dort in ihrer Kammer und schlief. Ich hab' sie nicht gehört, noch gesehn!

MINE. Wir auch nicht.

COMMISSAIR. Was weißt Du vom Morde?

AUGUST erschreckt. Vom Morde? Ist das Kind umgebracht worden? Zu Nante. Kerl, hast Du –

NANTE. Ich weiß nichts 'von. Ich bin Dir nachgelaufen.

AUGUST zu Lämmlein. Herr, Sie hatten mir zugeschworen –

MINE. Wir haben ihm nichts gethan; wie wir hinkamen, war Kind und Korb weg.

AUGUST. Herr Commissair, es ist wahr, ich bin ein Dieb, ich habe gestohlen, – und ich weiß nicht, was ich künftig thun werde, wenn das erst überstanden ist. Aber,[250] das thu' ich, weil ich weiß, es kostet nicht das Leben. Mit Umbringen laß ich mich nicht ein, das geht an's Blut und Blut kann ich nicht sehen. Wie sollt' ich so'n unschuldiges Wurm –

COMMISSAIR. Schweig! – Du warst beim Raube des Kindes nicht zugegen?

NANTE. Nein, da war er schon fort mit das Mädchen. Auf Philippinen deutend. Das Kind habe ich mit Meiner zusammen im Korbe fortgeschleppt, das ist wahr.

COMMISSAIR wirft plötzlich einen tiefen Blick auf Richard, schweigt einen Augenblick und sagt dann zum Beamten. Fort mit Diesen. Ich kann nicht weiter, mir schwirrt der Kopf von Vermuthungen, Zweifeln und Gott weiß was! Am Tage ein Weiteres!


Beamte weiset alle Drei hinaus. Nante, Mine, August gehen ruhig. Philippine in Nr. 2 zurück.


LÄMMLEIN demüthig zum Commissair. Soll ich mit diesem Verbrecher-Gesindel –

COMMISSAIR. Warum haben Sie sich mit ihm verbrüdert.

LÄMMLEIN küßt dem Commissair die Hand. Ich bin ein stiller, frommer Mann, unschuldig in diesen Handel verwickelt. Zu Richard. Sie wissen, ich kam, Abschied zu nehmen, – ich bin ja eigentlich gar nicht mehr in Berlin!

COMMISSAIR. Herr, machen Sie mir den Kopf nicht warm! Sie gehen in's Gefängniß, und damit holla!

BEAMTER faßt ihn an.

LÄMMLEIN will aufbrausen. Glauben Sie, daß ich mir[251] das so ruhig gefallen lassen werde? Ich hab' hohe Bekanntschaften –

COMMISSAIR Pantomime des Hängens. Die Höchste macht der Kinderräuber!

LÄMMLEIN zerknirscht. Nun, ich will duldend schweigen, meinen Feinden vergeben. Der Gerechte triumphiert endlich doch. Geht ab. Beamte folgt ihm.

EHRENTHAL sitzt in Gram versenkt am Tische des Protokollführers.

RICHARD steht niedergeschlagen, unruhig und verwirrt.

COMMISSAIR geht sinnend auf und ab. Der Diebstahl der Chatoulle ist ermittelt – der Raub des Kindes constatiert, aber wenn Dörthe beim Kinde gefunden und mit ihm gefangen genommen ward, – so kann mittlerweile – und die Zeit trifft gar nicht zusammen – und die Thür war gewaltsam von Außen gesprengt – und Sie Vor Richard stehen bleibend. müssen gestehen, hier gewesen zu sein.

RICHARD. Ich lese in Ihrer Seele. Weil ich ahnete, daß dieser Verdacht aufsteigen müßte, kam ich, mich selbst zu liefern.

COMMISSAIR. Ich kann es Ihnen nicht ersparen: ich muß Sie mit der vermeinten Mörderin confrontieren.

RICHARD. Zu Ihren Diensten! Für sich. Auch das werd' ich überstehen.

COMMISSAIR geht an die Thür und ruft hinaus. Die Dienstmagd herauf! In diesem Augenblick tritt ihm.


Quelle:
Karl von Holtei: Theater. Ausgabe letzter Hand in sechs Bänden, Band 1, Breslau 1867, S. 248-252.
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