7.
Ninon

[110] Ninon heisst sie. Ihre Mutter

Handelt nachts mit Apfelsinen

An der Weidendammer Brücke.

Doch sie selbst ist Kammerkätzchen.


Stöckelschühchen. Sehr kokett.

Sehr kokett sitzt auch ihr Häubchen,

Das auf ihrem krausen Köpfchen

Weiss und niedlich balanciert.


Doch der kleine Marmorschlingel,

Der dem Spiegel vis-a-vis

Grad vor einem Makartstrauss hockt,

Lässt sich dadurch nicht verblüffen.


Immer, wenn ihr Pfauenwedel

Ihn frühmorgens abstäubt, lacht er.

Ja, die Stutzuhr kann sogar

Deutlich hören, was er sagt:[110]


»Thu mir den Gefallen, Kind, und

Kokettiere nicht so viel!

Ninon nennt die gnädge Frau dich?

Geh, du heisst ja gar nicht so!


Martha heisst du. Dein Papa

War der gnädge Herr von Dingsda.

Vor drei Wochen in New-York

Starb er als Conditorlehrling.


Deine Mutter lebt. Sie schielt,

Hinkt und schnupft. Im Uebrigen

Handelt sie mit Apfelsinen

An der Weidendammer Brücke.«[111]


Quelle:
Arno Holz: Buch der Zeit. Berlin 21892, S. 110-112.
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