12.

[507] Schlag zu, mein Herz, die Flocken treiben

Nicht wie im Winter mehr ums Dach!

Der Frühling pocht an meine Scheiben

Und tausend Wunder werden wach!

Das Licht führt seine goldnen Funken

Tagtäglich wieder nun ins Feld,

Und mir im Herzen jubelt's trunken:

O Gott, wie schön ist Deine Welt!


Wie lieblich nur durchs offne Fenster

Der Maiwind mir die Schläfen kühlt!

Lebt wohl, ihr grübelnden Gespenster,

Die winterlang mein Hirn durchwühlt!

Als wär ich gestern erst genesen

Das Herz ist mir so süss erhellt –

So wohl ist mir noch nie gewesen:

O Gott, wie schön ist Deine Welt![507]


Hervor, hervor aus deiner Hülle,

Du liebes Bildchen meiner Fee!

O, dieser Locken goldne Fülle!

O, dieses Busens weisser Schnee!

Und wölbt sich über deiner Krone

Auch purpurroth ein Throngezelt,

Dein Herz schlägt doch dem Liedersohne –

O Gott, wie schön ist Deine Welt!


Doch still, mein Herz, was soll dein Pochen?

O Tod, du kommst zur rechten Zeit!

Das Schwert der Trübsal liegt zerbrochen ...

Sei mir gegrüsst, o Ewigkeit!

Beim Frühling hab ich tausendkehlig

Ein Lerchengrablied mir bestellt:

So sterb ich jubelnd, sterb ich selig –

O Gott, wie schön war Deine Welt![508]


Quelle:
Arno Holz: Buch der Zeit. Berlin 21892, S. 507-509.
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