Vorrede.

Nach Standes-Gebühr

Geehrtester Leser!

Die gütige Aufnahme der verliebten und galanten Welt solte mich nebst schönster Dancksagung verbinden / demselben meiner Zusage gemäß den andern Theil dieser warhafftigen Geschichte anitzo zu lieffern: Allein die in mir angefeurete Begierde / den geehrtesten Liebhabern meiner schlechten Arbeit durch die itzo noch sammlende artige und traurige Zufälle der Verliebten besser und vollständiger als in denen ersten Bogen zu dienen / und die Liebens-würdige Adalie / versprechen die Entschuldigung dieser Säumniß auf sich zu nehmen. Denn diese schöne / welche durch die schätzbaresten Eigenschafften sich die gröste Ehrerbietung erworben / ist so seltsamen und verwirrten Veränderungen ihres Liebes-Verhängnisses unterworffen gewesen / daß sie mir die Hoffnung machet / manchen in ihren desto merckwürdigern Begebenheiten / weil sie warhafftig / durch Aufmercksamkeit und Lust unterdessen die Zeit zu kürtzen. Und so ja einige / denen diese nach meinen Gutachten eingerichtete Geschichte unbekannt / eine Erfindung draus machen wollen / so werden sie doch diese Gedancken fahren lassen / wenn sie der politen Wissenschafften kundig nach genauer Durchsehung dieser Blätter den Schluß mit bessern Nachsinnen erwegen / als es gemeiniglich am Ende der gleichen Bücher geschiehet. Das verborgene Schicksal spielet offt wunderbarer mit Menschen / als ein kluger Kopff mit Phantasien: und wer die Welt nicht als einen aller Augen geöffneten Platz / sondern als ein geheimes Liebes-Cabinet durchsehen / wird mir leichtlich Beyfall geben. Daß man aber in diesen Schrifften die Personen gleichsam hinter den Fürhang und Verdeckt aufführet / ist nicht eben die Sorge: es werden sich nach Art des verächtlichsten Ungezieffers Gemüther finden / welche aus den reinsten Blumen Gifft wollen saugen; sondern weil es die Mode also mit sich bringet / und man die Maßqven überall zu mehrer Ergetzlichkeit brauchet. Nun glaube ich / daß vielleicht diese Bogen / weil sie von verliebten handeln / eben ein so unvernünfftiges Urtheil von einem heuchlerischen Neide werden leiden müssen / als ich in einer Scarteque über galante Romanen mit Verwunderung gesehen: Allein wie ich ohne Aergerniß dergleichen Leute sich prostituiren lasse / die mit ihren unzeitigen Tadeln bey Gescheuten nicht fortkommen: so verspare mit Fleiß eine völlige Beantwortung / biß ein anderer Tractat nähere Anleitung darzu giebt. Denn dieses würde mir sonsten / was vielen verdrießlich / eine lange Vorrede ma chen: und wenn hier einige Laster mit vorgestellet werden / so setzet man sie denen Tugenden wie die schwartzen Africaner denẽ schönẽ Europäerinnẽ an die Seite / damit sie deren Glantz durch ihre heßliche Gestalt vollkommener machen. Hiermit überreiche dieses Buch dessen gewogenen Händen. und so es so glücklich ist / durch erlangte Gunst auch dem Verfasser eine schätzbares Affection zu erwerben / wird inskünfftige um desto verbundener seyn.


Des nach Standes-Gebühr

Geehrtesten Lesers


Unterthäniger und Dienstergebenster


MENANTES.

Quelle:
Christian Friedrich Hunold: Die liebenswürdige Adalie. Hamburg 1702.
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