Wohl geh ich täglich ...

[310] Wohl geh ich täglich andere Pfade, bald

Ins grüne Laub im Walde, zur Quelle bald,

Zum Felsen, wo die Rosen blühen,

Blicke vom Hügel ins Land, doch nirgend,


Du Holde, nirgend find ich im Lichte dich

Und in die Lüfte schwinden die Worte mir,

Die frommen, die bei dir ich ehmals

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Ja, ferne bist du, seliges Angesicht!

Und deines Lebens Wohllaut verhallt, von mir

Nicht mehr belauscht, und ach! wo seid ihr

Zaubergesänge, die einst das Herz mir


Besänftiget mit Ruhe der Himmlischen?

Wie lang ists! o wie lange! der Jüngling ist

Gealtert, selbst die Erde, die mir

Damals gelächelt, ist anders worden.


Leb immer wohl! es scheidet und kehrt zu dir

Die Seele jeden Tag, und es weint um dich

Das Auge, daß es helle wieder

Dort wo du säumest, hinüberblicke.

Quelle:
Friedrich Hölderlin: Sämtliche Werke. 6 Bände, Band 1, Stuttgart 1946, S. 310-311.
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